Internet Statement 2008-15

 

 

Finanzkrise – wenn Großbanken zittern und den Verteidigern des Kapitalismus das Wort stockt

Walter Grobe / Uwe Müller,  17.3.08     

Die Finanzkrise kommt immer mächtiger ins Rollen, Großbanken zittern am Abgrund oder stürzen bereits hinunter, den USA drohen nicht nur eine schwere Rezession, sondern große Schäden an ihrer international dominierenden politischen Stellung; alle internationalen Wirtschaftsysteme, namentlich auch China, das mit den USA ökonomisch stark verbunden ist, und die EU müssen damit rechnen, daß es sie selber im weiteren mehr oder weniger schwer trifft. Allein in der BRD haben allein Staatsbanken rund 70 Mrd. Euro verspekuliert, für die jetzt der Steuerzahler geradestehen soll.

Die Verteidiger des Kapitalismus haben keine leichten Zeiten. Sie müssen ein paar bohrende Fragen selbst stellen - sonst tun es andere. Sie wissen aber keine Antworten. So wird in der „FAZ“ v. 17.3.2008 gefragt.

„Wie konnte es trotz all der Aufsichtsbehörden und all der Erfahrungen aus früheren Finanzkrisen geschehen, dass sich die Welt heute in einer Situation befindet, in der sich die Notenbanken ernsthafte Sorgen um die Stabilität des Finanzsystem machen müssen?“

Die Frage bleibt unbeantwortet so stehen.

Versuchen wir mal eine Antwort: 

- weil die Vorstellung von sog. „Aufsichtsbehörden“ über die Finanzspekulation ein Spießertraum ist, denn niemand kann so wenig Aufsicht gebrauchen und läßt so wenig Aufsicht zu wie die Finanzwelt.

- weil es in einer kapitalistisch strukturierten Welt keine staatlichen Behörden gibt, die das Geschehen überblicken oder gar steuern könnten, denn das Finanzkapital kontrolliert letztlich den Staat und nicht umgekehrt. 

- weil nicht einmal das Finanzkapital selbst seine eigene Entwicklung durchschaut und steuern kann. Erfahrungen aus früheren Finanzkrisen hätten das Kapital vorsichtig machen müssen? Es gibt nur eine Klugheit des Kapitals: mach so rasch wie möglich den maximalen Profit, setze alle Gesetze außer Kraft, soweit du kannst, und versuche deine Geschäftspartner aufs Kreuz zu legen, sonst legen sie dich. Nach uns die Sintflut. Ein internationales kapitalistisches Finanzsystem, das stabil sein soll, kann es nicht geben.

„Wie konnte es sein, dass in den Vereinigten Staaten Bürger mehr als 100 Prozent einer Immobilie finanziert bekamen, nachdem genau diese Art der Kreditvergabe zehn Jahre zuvor in Großbritannien zu einer dramatischen Immobilienkrise und Rezession geführt hatte?“

- weil diejenigen Banken, die solche Kredite vergeben, aufgrund der modernsten Errungenschaften der Kapitalbeschaffung, bspw. der sog. Forderungsverbriefungen, die faulen Eier bestens verpacken und in schönen Einwicklungen an andere verkaufen können, die sie wiederum weiterverkaufen, so daß große Teile der Finanzwelt nach nicht allzulanger Zeit selbst nicht mehr wissen, wie viel Fäulnis in ihren eigenen „Sicherheiten“ steckt. Daß keine Bank mehr der anderen traut, daß die Kreditvergabe zwischen den Banken zum Erliegen gekommen ist, wie offen eingestanden wird, ist das Ergebnis. Wenn aber der Kredit wirklich stockt, fehlt bald auch der Gesamtwirtschaft der Sauerstoff.

- weil die US-Regierung versucht hat, mit der bewußten Förderung eines derart überschäumenden Kreditwesens den Bürgern etwas vorzumachen, den Blick von der längst bankrotten Grundlage der US-Ökonomie abzulenken und die Leute zu bestechen.

„Wie konnte es sein, dass es mit gutem Grund Großkreditrichtlinien und Eigenkapitalunterlegungsvorschriften gibt und Aufsichtsbehörden zusahen, wie Banken exorbitante Risiken außerhalb ihrer Bilanz anhäuften?“

Antwort s.o.

„Wie konnte es sein, dass Aufsichtsbehörden und Notenbanken schweigen, wenn Marktteilnehmer ihre Investitionen bis zu 32 Mal hebeln und damit ein Schneeballsystem kreieren?“

Hier wird auf den aktuellen Fall des Carlyle-Fonds angespielt, der mit 670 Mio. $ Eigenkapital in den letzten Jahren sich Kredite in Höhe von 22 Mrd. verschaffte, um damit zu spekulieren – die er irgendwann natürlich nicht mehr bedienen kann. So etwas ist aber alles andere als ein Einzelfall, sondern wurde vor kurzem noch als herausragendes Beispiel neuester kreativer Finanzmathematik gepriesen, die es schaffe, die Ressourcen besser zu mobilisieren als bisher – aber schon die alten Alchemisten hatten letztlich nie Erfolg damit, aus ..... bestimmten Stoffen Gold zu machen. Die Jagd nach dem Maximalprofit läßt die „renommiertesten“ Großbanken selbst vor dem Schneeballsystem in großen Stil nicht mehr zurückschrecken, vor der wissentlichen Initiierung der ganz großen Prellerei, für die große Teile der Gesellschaft letztlich bluten müssen, während sie selbst längst Kasse gemacht haben und die entscheidenden Leute ihre daraus resultierenden Vermögen längst vor dem Konkursrichter in Sicherheit gebracht haben. Wenn es denn überhaupt noch zu Verfahren kommt. Es kann auch ein weiterer, größerer Krieg angezettelt werden, damit andere Fragen wichtiger werden...

„Würde die Mehrheit der Bevölkerung verstehen, was derzeit im Finanzwesen abläuft, wäre das Vertrauen der Bevölkerung in das Bankensystem und ihre Aufsicht zutiefst erschüttert.“

Die FAZ hält die Leute wohl für dumm. So schwer ist das, was da so auf den Finanzmärkten abläuft und was sich da zusammengebraut hat, nun wirklich nicht nachzuvollziehen. Wenn heute schon ganz normale Baukredite von ganz "normalen" Sparkassen hinterrücks an irgendwelche Finanzjongleure verkauft werden, die dann gegenüber den Kreditnehmern die Daumenschrauben anziehen, dann ist es naiv oder weltfremd, anzunehmen, das Vertrauen in das Bankensystem sei noch uneingeschränkt vorhanden. Wenn der Staat Milliarden und Abermilliarden an Steuergeldern der breiten Bevölkerung in die Stützung der Landesbanken, die sich verzockt haben, schießt - wo soll da noch eine Vertrauensbasis sein? Das Vertrauen ist erschüttert - und das ist auch absolut angebracht. Aber nicht bloß das Vertrauen in das Finanzsystem ist erschüttert. Immer mehr wird auch hierzulande wieder der Kapitalismus in Frage gestellt, die Diskussionen darüber, und wie es denn eigentlich weitergehen soll, nimmt zu.

Die Hypothekenkrise, die sich längst zu einer ausgewachsenen internationalen Finanzkrise mit noch gar nicht absehbaren Folgen und noch längst keinem absehbaren Ende ausgeweitet hat und deren Grundlage die allgemeine Krise des Kapitalismus bildet, bringt die Menschen dazu, die Realitäten so zu sehen, wie sie sind und das Vertrauen und die jahrzehntelang genährten und propagierten Illusionen über den "sozialen" Charakter der sog. Marktwirtschaft (sprich Kapitalismus) über Bord zu werfen. Es braucht dazu nicht notwendig die volle Einsicht in die speziellen Finanztricks und Betrügereien der Finanzjongleure, wie die FAZ es hier meint. Es genügt hierzu die alltägliche Erfahrung des immer mehr steigenden Drucks auf die Löhne, Arbeitszeiten und Arbeits- und Lebensbedingungen, kurz der Steigerung der Ausbeutung derer, die noch einen Job haben und des millionenfachen Abgeschriebenseins und der Perspektivlosigkeit derjenigen, die keinen Job mehr bekommen.

Diese alltägliche Erfahrung von Millionen von Menschen liegt richtiger als die Schreiberlinge der FAZ, denn in der Tat handelt es sich nicht bloß um eine Finanzkrise, die mit entsprechenden Regeln und Gesetzen in den Griff zu bekommen wäre (wie es Politiker jeglicher Couleur von CDU bis hin zur sog. Linken so gerne hinstellen), sondern es handelt sich um eine handfeste Krise des Kapitalismus als solchen, die zwangsläufig aufgrund seiner inneren Gesetzmäßigkeit auftreten muß. Ein System, das auf der Jagd und Gier nach immer höheren Profiten, nach immer mehr gesteigerter Ausbeutung beruht und dabei gleichzeitig die zahlungsfähige Nachfrage nach den produzierten Waren nach unten drückt, muß zwangsläufig zur ökonomischen Krise und zur Vernichtung von Menschen und Produktivkräften führen. Daß das Vertrauen in dieses kapitalistische System schwindet ist gut und notwendig. Ja, es stellt sich wieder verstärkt die Frage, wie und durch welche gesellschaftlichen Kräfte dieses kapitalistische System abgeschafft werden kann und was an seine Stelle gesetzt werden könnte. Es wird dies für immer mehr Menschen nicht bloß zu einer rein theoretischen Frage werden, sondern vielmehr zu einer existentiellen, zu einer Überlebensfrage werden. Daß einem kapitalistischen Blatt wie der FAZ nicht daran gelegen sein kann, versteht sich von selbst. Sie will lieber auch weiterhin Vertrauen in den Kapitalismus propagieren, das ist ja auch ihre Aufgabe. Zwischen den Zeilen aber kann man lesen, daß es ihr aufgrund der aktuellen Entwicklung und Verschärfung der Widersprüche innerhalb des Kapitalismus immer schwerer fällt, diese Aufgabe zu erfüllen.

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