Internet Statement 2007-60

 

Die späte Einsicht des Herrn Hambrecht

2.7.2007    

Jahrelang haben die Chefs der großen deutschen Unternehmen die Verlagerung der Produktion, ganzer industrieller Sektoren, als das unabwendbare Schicksal der westeuropäischen Länder, gerade auch Deutschlands beschrieben. 30 Jahre Entwicklung mit immer weiter gehender Auslagerung der Produktion in die neuen Schwellenländer haben wir hinter uns. Man hat versucht, die sozialen Folgen so weit wie möglich "verträglich" zu machen und der großen Mehrheit der Bevölkerung die Augen zuzukleistern vor dem, was in letzter Konsequenz auf sie zukommen wird. Während der Regierung Schröder wurde diese Entwicklung auf die Spitze getrieben und dem ganzen Land verkündet, daß die Dienstleistungsgesellschaft das Ziel sein müsse. Jetzt kommt angesichts der internationalen Entwicklung, auch der verschärften Konkurrenz, bei einigen Herren der Industrie offensichtlich Furcht auf, und das schlägt sich in einigen schwachen Protesten nieder.

So gab es ein Interview des BASF-Chefs Jürgen Hambrecht im "Spiegel", das innerhalb der Regierung zu heftigen Reaktionen führte und einiges über die herrschende Problematik ans Tageslicht förderte. Da sagt Hambrecht u.a., er hätte "gern gewußt, ob er [Gabriel] eigentlich zum Produktionsstandort Deutschland steht. Was will er? Den Umbau der Industrie- in eine Servicegesellschaft? Dann soll er das auch sagen." Aber einen solchen Umbau hat doch die Schröder-Regierung während der sieben Jahre ihrer Existenz ständig als Ziel verkündet, und unter A. Merkel hat es keine Wendung gegeben. Und noch mehr: bereits unter der Regierung Kohl wurde zuvor schon 16 Jahre lang der Abbau betrieben und die Tendenz zu einer solchen Servicegesellschaft gefördert. Deswegen braucht Gabriel das gar nicht offen zu sagen, das ist von den herrschenden Kreisen längst gesagt, und es war immer schon eine faktische Kriegserklärung an einen Großteil der Beschäftigten und vor allem an die Jugend und ihre Zukunft in diesem Land. Die Jugend bekommt am meisten die Folgen dieser Politik zu spüren.

Ständig wird auch davon geredet, man wolle unter der Jugend das Studium der Naturwissenschaften fördern. Aber warum werden konkret die Bedingungen für das Studium immer weiter erschwert, werden manchmal solche Experimente wie mit der sog. Bachelor-Ordnung gemacht, die auf ein weiteres Hinausdrücken von Jugendlichen aus diesen Berufen hinauslaufen? In den Medien heißt es gleichzeitig, man bemühe sich, für die Zukunft Spezialisten aus dem Ausland für diese Berufe anzuwerben.

Die Deindustrialisierung, besser gesagt: Segmentierung der Industrie auf bestimmte wenige Bereiche, die Umwandlung in eine Dienstleistungsökonomie hat vor allem die Masse der Bevölkerung, die Arbeitenden getroffen. Am Anfang wurde immer gesagt: wir stützen euch bei diesem Prozeß ab, er läuft sozialverträglich. Inzwischen ist klar: viele Menschen, die heute neu in den Beruf einsteigen, bekommen Löhne, die um ein Erhebliches niedriger sind als bei denjenigen, die jahrzehntelang in der Arbeit stecken oder steckten. In zahlreichen Jobs des Dienstleistungsgewerbes herrschen wahre Hungerlöhne und völlige Perspektivlosigkeit in der Arbeit. Das Konzept der Erpressung der eigenen Bevölkerung ist gelaufen, wie lange es allerdings vorhält, das wollen wir abwarten.

Das wichtigste Standbein bei der Deindustrialisierung war die sog. Anti-Kernkraft-Bewegung, die 1974 mit Unterstützung der Fernsehanstalten und wichtiger Zeitungen und Zeitschriften wie "Spiegel", "Frankfurter Rundschau" und vieler anderer in die Welt gesetzt wurde. Kleinbürgerliche Vorbehalte wurden systematisch geschürt, sog. linke und revolutionäre Parteien wurden vor den Karren der Bewegung gespannt. Nur ganz wenige durchschauten den Prozeß und setzten dem Widerstand entgegen.
Diese Anti-Kernkraft-Bewegung wurde meinungsmäßig in diesem Land vorherrschend und hat es letztlich regelrecht in die Idiotie getrieben. Es gibt kein zweites Land in der Welt, in dem derartige Ideen, fortschrittsfeindlich bis ins Mark, derartige Verbreitung gefunden haben. Das hat einerseits mit den politischen System in Deutschland, hat auch mit dem Einfluß der früher herrschenden Mächte wie der USA und der Sowjetunion zu tun, die beide diesen Prozeß gefördert haben. Aber es läßt sich nicht trennen von den eigenen großen Banken und großen Unternehmen, die entweder direkt aktiv bei dieser Bewegung dabei waren wie später z.B. die Deutsche Bank, oder aber mehr oder minder stillgehalten haben. Langsam, Stück für Stück, zog fast die gesamte Bourgeoisie auf diesem Sektor nach. Heute können völlig einseitige Thesen wie die sog. "Klimakatastrophe" oder die Umwandlung der Energieversorgung des Landes ohne Kernenergie und ohne Kohle, allein auf Biomasse u.ä. gestützt, in diesem Land auf der Grundlage der längst etablierten Abwegigkeit Fuß fassen. Es gibt kaum einen Jugendlichen, dem nicht in der Schule eingebläut worden ist, daß die Kernkraft eine der großen Gefahren für die Menschheit darstelle und deswegen verschwinden müsse. Und dies, obwohl die Kernenergie wesentlicher Programmteil vieler revolutionärer Bewegungen und Staaten in der Vergangenheit war, um die Energieversorgung der modernen Industrie in ein revolutionäres, von den fossilen Brennstoffen unabhängiges System zu überführen. Die Kernenergie als der Pfosten der revolutionären Entwicklung der Produktivkräfte wurde von dieser völlig reaktionären Bewegung ins Zentrum des Feuers gestellt, und es ist absolute Pflicht für jede dem Fortschritt der Menschheit verpflichtete Partei, dieser Kampagne, dieser Lüge und Verdrehung, die in letzter Konsequenz in Selbstvernichtungsideologie endet, den Kampf anzusagen.

Heutige Regierungsträger wie Gabriel oder seine Berater und Institutionen sind völlig auf die Anti-Kernkraft-Kampagne eingeschworen, sind Fanatiker in dieser Hinsicht. Sie haben ganze Entwicklungen wie den Kugelhaufen- bzw. Hochtemperatur-Reaktor und andere in andere Länder getrieben und hier für Hunderttausende von Menschen systematisch die Existenzgrundlage plattgemacht. Dreißig Jahre Blockierung der neuen Entwicklung machen sich heute bemerkbar, und wenn jetzt Industriekapitäne wie Hambrecht sagen: "Wir waren Weltmeister bei der Kerntechnikforschung, die ist jetzt weg", dann muß man gleich hinzufügen: ohne die Duldung von seiten der großen Konzerne in Deutschland und der mit ihnen eng verbundenen Banken wäre das nicht möglich gewesen. Aber weil man auf die Verlagerungspolitik gesetzt hat, weil man die bremsende Wirkung nach innen gesehen hat, dies als ein Mittel der Steuerung der Menschen gesehen hat, hat man bei den absurden Thesen dieser Kampagne entweder weggeguckt oder sie sogar aktiv gefördert.

Die Sozialdemokratie, vor hundert Jahren die Vertretung der Arbeiterklasse in Deutschland, hat längst der Arbeiterklasse den Krieg erklärt. Sie sind Fanatiker unter den Liquidatoren der modernen Industrie, nicht nur der Kernenergie, sondern auch in verschiedensten anderen Bereichen. Aufblähung der Bürokratie, völlige Verschleierung der Zusammenhänge und nach Möglichkeit auch das Hineinführen von Teilen der Arbeiterklasse in diese Kampagne war das Ziel, das die Sozialdemokratie als ganze seit zwanzig bis dreißig Jahren verfolgt. Auf diesem Grund sind solche Absurdköpfe wie Gabriel gewachsen. Und Merkel? Hat sie nicht schon von Anfang an gesagt, daß es in Deutschland für Jahrzehnte keinen Neubau von Kernenergie geben werde, sondern allenfalls eine Diskussion zu führen sei, ob die laufenden Kernkraftwerke noch etwas länger laufen dürften? Selbst Leute wie Glos von der CSU vertreten lediglich, daß man die Kernenergie noch brauche, weil man die sog. alternativen Energien nicht ausreichend sofort in die Wirklichkeit umsetzen könne.

Die absurde Idee, die sog. erneuerbaren Energien zum Grundpfosten der Energieversorgung in Deutschland zu machen, läuft auf die völlige industrielle Liquidation und die Ausquetschung der Bevölkerung mit Hochpreisen für Energie hinaus. Die Bevölkerung bezahlt diese subventionierten Energieformen faktisch mit einem erheblichen Teil ihres Einkommens, das ihr abgezockt wird.

Die Situation in Land kann auch absolut nicht getrennt werden von dem Abkommen zwischen der Schröder-Regierung und den Energiekonzernen aus dem Jahre 2000. In diesem Abkommen legten die Energiekonzerne sich bereitwillig darauf fest, die noch bestehenden Kernkraftwerke, obwohl sie noch lange laufen könnten, Stück für Stück abzubauen und zu vernichten und ihre Ersetzung durch sog. erneuerbaren Energien in die Wege zu leiten. Ihnen selbst wurden dabei Monopolrechte und maximale Profite versprochen. Alle Energiekonzerne sind heute bei den subventionierten sog. alternativen Energien dabei und lassen sich aus den Taschen der Bevölkerung und z.T. auch aus den internationalen Profiten den Aufbau der Windenergie, der Biomasse usw. finanzieren. Sie machen dabei Milliardenprofite. Ihnen geht es allenfalls noch darum, daß die Kernkraftwerke etwas länger laufen - weil ihnen die längst amortisierten Anlagen Maximalprofite bringen-, nicht aber um den Neuaufbau.

Dieses Abkommen, das die Zukunft faktisch vermauert hat, muß zu einem Kernpunkt des Angriffs seitens der Bevölkerung werden. Es muß zur Aufklärung in diesem Land über die Herkunft dieser ganzen Kampagne kommen, sonst kann es nicht weitergehen. Solche Reden wie die des Bourgeoisvertreters Hambrecht werden keine wesentlichen Änderungen herbeiführen. Er kündigt schon an, wenn er sich nicht durchsetzen kann bei der Energiekonferenz, dann ziehen die Konzerne sich zurück, und was heißt das? Es wird noch weitere Verlagerungen geben, und zwar auch aus den Stammbereichen, die bisher noch davon verschont waren.

Eine wichtige Frage: woher kommt eigentlich der Fanatismus der Sozialdemokratie bei der Ablehnung der Kernenergie? Bei den Grünen bedarf er keiner Erklärung, aber woher kommt er bei der Sozialdemokratie? Nach dreißig Jahren Anti-AKW-Kampagne und dem Abfahren in diese Richtung kommen die Parteien von dem Roß, das sie da bestiegen haben, nicht mehr herunter. Wenn die Einsicht sich verbreiten würde, daß die Kernenergie international sich weiterentwickelt, daß man sie auch hier weiterentwickeln müßte, daß wir wahnsinnig sind, eigene Forschungszweige zu liquidieren und uns damit letztlich selbst zu liquidieren, dann müßten die großen Parteien zugeben, in diesem Land mit der Deindustrialisierungpolitik, die in der Anti-AKW-Bewegung ihre zentrales Kettenglied hat, ein enormes Verbrechen begangen zu haben, sie müßten im Grund abtreten. Niemals wird die Sozialdemokratie und ebensowenig die CDU das zugeben und akzeptieren. Sie machen weiter, auf Teufel komm raus, selbst wenn kritische Stimmen aus der Bourgeoisie selbst sich jetzt wieder mehren. Leute wie Gabriel und andere Vertreter der SPD haben auch schon angekündigt, daß sie die Koalition verlassen, falls unter dem Druck solcher Leute wie Hambrecht doch ein Gesinnungswandel in bestimmten Teilen der Regierung auftritt. Und schon wird über die Verbindung von Sozialdemokratie, sog. Linkspartei und Grünen verhandelt, während umgekehrt Vertreter der CDU die sog. Jamaika-Koalition favorisieren. Das zeigt so etwas wie das Ende der Merkel-Ära an, die nichts zustande bringen kann. Auffällig schon jetzt, daß in beiden Koalitionen, die hier diskutiert werden, die Grünen das Zünglein an der Waage bilden. An einer sog. Jamaika-Koalition wie auch an einer sog. linken Koalition sind die Grünen die ausschlaggebende Kraft, die theoretisch die Seite wechseln kann und damit die Regierung bestimmen kann. Diejenige Partei, die den Anti-Industrialismus und die Zerstörung als Grundprogramm hat, sitzt in diesem System am Hebel.

Für uns besteht eine ganz andere Notwendigkeit, nämlich Klartext zu reden, woher diese Parteien mit den Verbrechen gegenüber der eigenen industriellen Entwicklung überhaupt kommen. Das läßt sich von der Nachkriegsgeschichte, dem Aufziehen dieser Parteien nicht trennen. Verfolgt man die Geschichte zurück, sieht man, daß alternative Ideen von Anfang an in den deutschen Parteien herumspukten, namentlich in der CDU/CSU, ja sogar zum Teil daher kamen. Es ist eine reaktionäre ständige Widerständlerei gegen moderne internationale Entwicklungen zu spüren, die sich auch jetzt in der sog. Anti-Globalisierungsbewegung wieder zeigt. Allgemeine Anti-Globalisierung ist Reaktion, das muß in der Schärfe gesagt werden. Es würde eine Kritik an der Bourgeoisie sein aus dem reaktionärsten, rückständigsten Winkel heraus, die keine Partei oder Gruppe, die sich als Vertreter der Arbeiterklasse ausgibt, auch nur annähernd vertreten kann.

Redaktion NE -hd


 

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