Internet Statement 2004-31

 

Interessante Einblicke in die Bündnispolitik der MLPD
 
     - Nochmals zum Brief von Edith Bartelmus-Scholich

 

1. Zur Frage der organisatorischen Zuordnung


Edith Bartelmus-Scholich schrieb:

<Liebe Mitstreiter in der Gruppe Neue Einheit,

da Ihr seit Herbst letzten Jahres mehrfach Auseinandersetzungen über meine Person und meine Positionen begonnen habt, erlaube ich mir dazu Stellung zu nehmen. Ich habe nichts dagegen, wenn Ihr nachfolgendes Schreiben von mir als persönliche Stellungnahme ebenso auf Eurer Homepage veröffentlichen würdet,am besten neben Euren diesbezüglichen Schreiben.

Zunächst begrüße ich es, dass sich der Schwerpunkt der Auseinandersetzung von reinen Mutmaßungen über meine Person hin zur Auseinandersetzung über tatsächliche Positionen von mir verschoben hat. Es hat mich in der Vergangenheit sehr gestört, dass Ihr daraus, dass ich u.a. mit der MLPD in Bündnissen zusammen arbeite, sogleich eine einfache Zuordnung von Person und Positionen vorgenommen habt, und dass Ihr dabei die Existenz einer kämpferischen Frauenbewegung mit eigenständigem Profil und zahlreichen
Aktivistinnen im gesamten Bundesgebiet schlicht geleugnet habt.

Nachdem nun im Zusammenhang mit meiner Einschätzung der Bedeutung der Blüm-Rede am 3.4. unübersehbar geworden ist, dass ich in dieser Frage eine durchaus von der MLPD unterschiedliche Position vertrete, schreibt Ihr immer noch: „Das sind aus dem Munde einer angeblich emanzipierten linken Vertreterin, die im organisatorischen Gefüge einer angeblich marxistisch-leninistischen Partei sich betätigt, doch ganz erstaunliche Sätze.“ >

“Reine Mutmaßungen“ über die Person von Edith B.-S. gab es bei uns nie, sondern nur Fakten, zunächst einmal über organisatorische Beziehungen. In unserem Statement vom 10.10. 03 kritisierten wir den Versuch des sog. Hannoveraner Vorbereitungskreises, mit G. Pfisterer und Edith B.-S. zwei von fünf Hauptreden bei der Schlußkundgebung am 1.11. in Berlin für die MLPD oder „deren engsten Umkreis“ zu beanspruchen. Dabei führten wir an, daß sie für das Pfingstjugendtreffen der Jugendorganisation der MLPD, „Rebell“, zentrale öffentliche Aufgaben wahrnimmt und offenbar eine Vertrauensperson dieser Partei ist.

Edith B.-S. nimmt in weiteren MLPD-nahen Organisationen öffentliche Funktionen wahr, bspw. in „Courage“, wo sie Landesvorstandssprecherin NRW ist, in „Frauen und Mädchen für Frieden, Brot und Rosen“ sowie in dem sog. Kämpferischen Frauenrat. Die in der Kritik des Gen. Hartmut Dicke [Nochmal zu Blüm in Köln und Edith Bartelmus-Scholich vom 28.3.04] an ihren Pro-Blüm-Äußerungen gebrauchte Formulierung, daß sie „im organisatorischen Gefüge einer angeblich marxistisch-leninistischen Partei sich betätigt“, trifft für jemanden, der derartig schwerpunktmäßig in Organisationen tätig ist, die dem Umfeld dieser Partei zuzurechnen sind, jedenfalls zu, ohne eine Behauptung über eine Mitgliedschaft in der MLPD selbst darzustellen.

Der Jugendverband „Rebell“ ist übrigens nicht einmal formell eine von der MLPD unabhängige Organisation, sondern untersteht politisch und organisatorisch der MLPD-Kontrollkommission.

Wir denken also, daß man uns keine sachlich falsche Zuordnung unterstellen kann, wie es Edith B.-S. in ihren Sätzen anklingen läßt.

Wenn nunmehr über ihre politischen Positionen eine Auseinandersetzung geführt werden kann, finden auch wir das gut. Vor ihrem öffentlichen Eintreten für Norbert Blüm und die Rednerauswahl des DGB für Köln am 3.4.04 waren uns diese nicht bekannt, und wir haben dementsprechend keine Aussagen darüber getroffen. Es kann unserer Ansicht nach durchaus auch für eine größere politische Öffentlichkeit interessant und nützlich sein, wenn wir unsererseits zu dem Bekenntnis zum Feminismus und zur katholischen Soziallehre kritisch Stellung nehmen, das sie hier vertritt. Gleichzeitig stellen sich in diesem Zusammenhang auch Fragen zur Politik der MLPD.


2. Zur Frage der Frauenbewegung in der Bundesrepublik

Edith B.-S. betont die Existenz einer „kämpferischen Frauenbewegung mit eigenständigem Profil und zahlreichen Aktivistinnen im gesamten Bundesgebiet“ und bezeichet sich selbst als Linksfeministin.

„....dass Ihr dabei die Existenz einer kämpferischen Frauenbewegung mit eigenständigem Profil und zahlreichen Aktivistinnen im gesamten Bundesgebiet schlicht geleugnet habt.“

„Als Linksfeministin stehe ich mit meiner Person für eine revolutionäre, sozialistische und geschlechterdemokratische Perspektive und arbeite für einen doppelten Paradigmenwechsel in unserer Gesellschaft. Aufbauend auf den Überlegungen von Rosa Luxemburg ist mir dabei wichtig, den emanzipatorischen Aspekt der sozialistischen Bewegung zu stärken und für einen freiheitlichen, sozialistischen Pluralismus zu werben.“

Der äußerst verschwommene Ausdruck „Frauenbewegung“ deckt in der heutigen politischen BRD-Szenerie einen Bereich ab, der vor allem durch unrevolutionäre und dezidiert antirevolutionäre Stellungen in großer Masse geprägt ist.

Vom verbissenen Kampf gegen die Klassenauffassung der Geschichte ("Patriarchat" vs. "Frauen" als dem angeblichen gesellschaftlichen Hauptwiderspruch gemäß der Ideologie des Feminismus) über die Propaganda des Homosexualismus (zum Gehalt dieser Richtung s. Der Fall Rosa von Praunheim), bspw. durch die Feministische Partei, mit der eine Zusammenarbeit im „Kämpferischen Frauenrat“, einem Organ des „Frauenpolitischen Ratschlags“, besteht, bis zu süßlichen kleinbürgerlichen Idyllen ("Frauen und Mädchen für Frieden, Brot und Rosen") findet man hier alles Mögliche in reicher Fülle, bloß das Revolutionäre kann man mit der Lupe suchen. Das Aufgreifen von Problemen, die mit Besonderheiten der gesellschaftlichen Stellung der Frauen verbunden sind, dient hierbei als Vorwand, um zu höchst zweifelhaften sozialen Konzepten hinzuführen. Damit meine ich nicht nur feministische Phantastereien, sondern auch ein von den wirklich ernsten und komplizierten politischen Fragen des Kampfs gegen den Kapitalismus sich fernhaltendes schwächelndes Sozialgerede, wie es „Courage“ exemplarisch zeigt. In dieser Weise werden im Grunde die Frauen selbst nicht als vollwertige politische Potenz behandelt.

Es ist ein weiterer politisch fragwürdiger Versuch der MLPD, mit dem aus ihren Reihen initiierten „Frauenpolitischen Ratschlag“ das Spektrum solcher Bestrebungen organisatorisch zusammenzuführen und mit sozialistischen Einsprengseln zu versehen, um es ihren eigenen Anhängern und der Öffentlichkeit als vermeintlichen wichtigen Verbündeten des revolutionären Klassenkampfs zu präsentieren.


3. Zum Gehalt der Kapitalismuskritik der katholischen Kirche

In diesem Zusammenhang sollte man sich unbedingt vergegenwärtigen, daß unter dem Etikett „kapitalismuskritisch“, wie vieles im kirchlichen wie auch im feministischen Bereich sich heute nennt, jede Menge untergründig oder offen reaktionärer Strömungen sich verbergen. Das war übrigens schon zur Zeit des „Kommunistischen Manifests“ ähnlich und wird darin bereits ausführlich analysiert. Man darf nicht jedes antikapitalistische Wort für das nehmen, was es vorgibt. Nehmen wir das von Edith B.-S. selbst vorgelegte Beispiel:

Die Kapitalismuskritik der katholischen Soziallehre, die Edith B.-S. der derzeitigen sozialen Bewegung als ernsthafte Komponente im Kampf gegen den Kapitalismus empfiehlt, enthält zwar manche berechtigten sozialen Forderungen und mitunter scharfe Verurteilungen kapitalistischer Praktiken. Aber viel mehr als diese verneint die Katholische Kirche den selbständigen Kampf unterdrückter Klassen und Völker, die einzige Kraft, die den Kapitalismus ernsthaft in Frage stellen kann. Es ist ihr eigentlicher Nerv und ihr unbedingtes Credo, dagegen anzugehen. Wenn sie ungeachtet schöner Reden letztlich, im zugespitzten Kampf, immer wieder in Bündnissen mit der arbeitermörderischen Ultrareaktion, mit dem deutschen oder dem Franco-Faschismus, mit den USA etc. anzutreffen ist, was natürlich auch für andere christliche Kirchen gilt, dann ist dies alles andere als Zufall.

Edith B.-S. plädiert keineswegs nur dafür, Menschen aus diesem Bereich als Bündnispartner einzubeziehen, was durchaus unter bestimmten Bedingungen günstig sein kann, sondern sie versucht ganz dezidiert, die klerikale Ideologie als Komponente im Kampf gegen den Kapitalismus aufzuwerten. Das entspricht der betrügerischen Strategie des hohen Klerus selbst und ist den Fakten nach ein Unding, das aus jeder Bewegung, die ernsthaft versucht, die Interessen der Ausgebeuteten und Entrechteten gegenüber dem Kapital zu behaupten, entfernt werden muß.

Der Feminismus ist in ähnlicher Weise von Grundfeindschaft gegenüber dem Klassendenken inspiriert. Was soll dann eigentlich „Linksfeminismus“ sein?

Unsere Organisation hat die Anti-Hartz-Bewegung seit Mitte 2002 propagandistisch mit an erster Stelle angeregt, deren erste Bündnisse mitinitiiert und arbeitet seitdem trotz ihrer begrenzten Kräfte in den sozialen Bündnissen energisch mit. Wir haben darin von Anfang an vertreten, daß die Angriffe des Kapitals auf die Lebensbedingungen der Lohnabhängigen und der Arbeitslosen aus dem wüsten internationalen Ausbeutungssystem des heutigen Kapitalismus zu verstehen sind, und daß der Widerstand dagegen als Moment von internationalem Klassenkampf begriffen werden muß, wenn man eine zukunftsweisende Strategie entwickeln will.

Der „Antikapitalismus“ der Kirchen und anderer verweigert sich dem. Er geht gegen alle praktischen Ansätze dazu in Frontstellung, negiert, daß wir es mit Klassenkampf zu tun haben und arbeitet an der Verwischung der Klassengrenzen, an der Auflösung der Trennungslinien zur Reaktion und Ultrareaktion. In einer Situation wie heute in Deutschland, wo diese Grenzen im Bewußtsein und der Praxis vieler Menschen, auch sehr vieler Lohnabhängiger, gerade erst wieder in Ansätzen sich deutlicher bemerkbar machen, ist ein vom Klassenkampf abgelöster „Antikapitalismus“ eine besonders verwirrende Mischung.

„Ich würde nun so weit gehen, auch die kapitalismuskritischen Strömungen der Christen, in der christlich-sozialen Bewegung, einzubeziehen; denn aus einer hinreichenden Kenntnis der katholischen Soziallehre möchte ich behaupten, dass dort zum Kapitalismus grundlegende Widersprüche bestehen. Tatsächlich gibt es ja auch mit dem Bund der Religiösen Sozialisten eine Gruppe, die diese Widersprüche auflöst.“

Widersprüche des Katholizismus zum Kapitalismus bestehen zweifellos, grundlegende Widersprüche in der politischen Praxis eben nicht. Die Katholische Kirche hat im übrigen begreiflicherweise eine Tradition der Kapitalismuskritik von hinten, da die moderne Entfaltung des Kapitalismus bereits seit etwa dem 16./17. Jahrhundert ihr sozusagen geschichtlich entlaufen ist.

Sehr weit geht Edith B.-S. mit dem Satz über die „Religiösen Sozialisten“:

Dieser Bund, er nennt sich auch kurz "Resos", ist eine mit der offiziellen Sozialdemokratie, d.h. der Schröder-Blair-Sommer-Richtung nach eigenen Angaben „assoziierte“ Gruppierung, deren Neigung zu konsequentem Kampf oder gar Klassenkampf gleich Null ist. Schöne Auflösung der Widersprüche.

Das ganze Auftreten von Edith B.-S. läßt die gebotene Distanz zum klerikalen Klüngel, zu den meist sozial privilegierten und entsprechend gesonnenen CDA-„Arbeitnehmern“ und zu solchen Figuren des CDU-Establishments wie Blüm, wie übrigens auch zur DGB-Führung, elementar vermissen. Wir machen niemandem, der in solchen Kreisen seine bisherigen sozialen und politischen Erfahrungen gesammelt hat, daraus einen Vorwurf, müssen uns aber Vorstößen kritisch widersetzen, in Bewegungen, die potentiell wirklich gegen das Kapital vorgehen, politische Illusionen zu etablieren,.

Zum Gehalt des Feminismus s. auch den Brief von Hartmut Dicke vom 14.5.


4. Frauenpolitische Aktivitäten der MLPD:

Auf dem 5. „Frauenpolitischen Ratschlag“ 2002 fand u.a. ein Forum „Religion und Spiritualität“ statt, das neben Vertreterinnen verschiedener Religionen auch einer „Hexe“ sowie obskuren reaktionären Sekten wie Falun Gong freie Selbstdarstellungsmöglichkeiten gab, alles anscheinend unter dem Motto: Artikulation frauenspezifischer Regungen, und damit vom feministischen Standpunkt aus schon von vornherein berechtigt. Dieser Frauenpolitische Ratschlag ist aber als Ganzes eine Initiative aus dem inneren Kreis der MLPD. Monika Gärtner-Engel, die in den Veranstaltungsprogrammen der MLPD als Schulungsleiterin für zentrale theoretische Themen dieser Organisation fungiert und von daher wohl zu ihrem Kern gerechnet werden muß – über ihre sonstigen Funktionen sind anscheinend keine öffentlichen Informationen im Internet erhältlich – bezeichnet sich selbst ausdrücklich als die Initiatorin des Frauenpolitischen Ratschlags.

Auch in diesem Komplex zeigt sich meines Erachtens ein Grundschema: die Verquickung antikapitalistischer oder sogar revolutionärer programmatischer Sätze mit einem ganzen System von Hintertürchen zur Reaktion, ja mit direkt reaktionären Vorstößen. Wir brauchen eine sehr wache Auseinandersetzung gegenüber solchen Vermischungen oder auch direkten Betrugsmanövern, ob in sozialen Bewegungen, in der Frauenbewegung oder auch in festen politischen Organisationen. Gerade die MLPD hat immer wieder Anlaß zu diesbezüglicher kritischer Distanz gegeben und gibt ihn auch hier wieder. Was frühere Erfahrungen betrifft, verweisen wir auf das innere Kontrollsystem der MLPD, das typische Züge von rechten Sekten trägt, sowie auf solche Dreck- und Lügenschleudereien gegen revolutionäre Organisationen wie die jüngste Attacke gegen unsere Organisation im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen in der sozialen Bewegung.


5. Ergänzungen

Zur weiteren Erläuterung, in welcher Weise wir mit Edith B.-S. nicht übereinstimmen, noch zwei Zitate:

„Größere Probleme sehe ich als Feministin was das Verständnis von Frau und Familie, also die Verankerung des Patriarchats, in der katholischen Soziallehre betrifft.“

Die katholischen Lehren über die Geschlechterbeziehungen enthalten Stolpersteine für die feministische Propaganda. Zweifellos argumentiert der Katholizismus auch hier von der überlebten und christlich deformierten Vergangenheit her, auch von Formen des Patriarchats her, wie sie für ihn typisch sind, teilweise aber verteidigt er auch kulturelle Errungenschaften, die von bestimmten nicht unwesentlichen Feministen angegriffen werden, im Sinne nicht etwa der Befreiung der Frauen, sondern im Sinne einer - Männer wie Frauen umfassenden - menschlichen Depravierung, wie sie der heutige dekadente Kapitalismus hervorbringt. Dazu gehört bspw. die Propaganda des Homosexualismus.

Die Anti-Klassenkampflehre des Klerus ist für Edith B.-S. anziehend, die Verteidigung kultureller Errungenschaften auf dem Gebiet der Geschlechterbeziehungen durch Teile desselben Klerus aber etwas Anstößiges? Das ist doch ein merkwürdiges Überkreuz für jemanden, der Emanzipation vertreten will

„Was ich nicht für richtig halte, ist eine Radikalisierung der Bewegung durch den Aufbau von Feindbildern, wie ich dies zum Teil bei Eurem Argumentieren erkenne. Feindbilder über die Klassengrenzen hinweg schaffen nur destruktive Kraft, Feindbilder innerhalb einer Klasse wirken spaltend und zersetzend. Was wir aber brauchen ist konstruktive Kraft und Menschen aus den unterschiedlichsten Lebenszusammenhängen, die bereit sind für den Aufbau einer neuen Gesellschaftsordnung Verantwortung zu übernehmen.“

Was hier über die konstruktive Kraft und die Menschen aus den unterschiedlichsten Lebenszusammenhängen steht, ist richtig, und doch ist der ganze Gedanke wiederum auch illusionär. „Aufbau einer neuen Gesellschaftsordnung“ wird hier wie etwas unmittelbar Anstehendes behandelt, die objektive Zuspitzung der Klassengegensätze und die historisch erneut bevorstehenden langen erbitterten Kämpfe zur politischen Niederwerfung der Ausbeuterklassen aber als etwas, das man lieber übergehen sollte, weil Feindbilder ja etwas Künstliches, Vermeidbares seien. Aber der Kampf ist weder zwischen den Klassen noch auch innerhalb der ausgebeuteten Klassen, zwischen Revolutionärem und dem an die Bourgeoisie Angepaßten, vermeidbar. Edith B.-S. formuliert hier wiederum der Sache nach eine bürgerliche Absage an Klassenkampfdenken, vermischt mit antikapitalistischen Gefühlen.

Christoph Klein
16.5.04

 

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