Internet Statement 2021-198

 

 

 

Afghanistan – von Anfang an in einem ungerechten Krieg zum Spielball der imperialistischen Geopolitik gemacht

 

 

Wassili Gerhard  18.08.2021

Der Pragmatismus der USA mag den Abzug jetzt als eine nützliche Entscheidung sehen, die nicht nur die USA von einer immensen wirtschaftlichen Belastung befreit. Geheimdienstler und nichtoffizielle Kräfte werden sie wahrscheinlich sowieso im Lande zurücklassen. Und ein Vorwand für eine erneute militärische Intervention läßt sich bei Bedarf schon wieder finden.

 

Die Taliban waren ja schon am Anfang ihres Wirkens durchaus nicht wirklich als die großen Feinde gesehen worden. Viele Taliban waren in Pakistan in Religionsschulen von klein auf aus Waisen der vorhergehenden Kriege zu fanatischen islamistischen Kriegern erzogen worden. Das passierte unter der Schirmherrschaft des pakistanischen Geheimdienstes. Dieser hatte zusammen mit den Saudis und den USA auch die Aufrüstung der „Mudschaheddin“ und das Zusammenziehen von islamistischen militanten Kräften aus aller Welt mit gefördert, um der damaligen sowjetrevisionistischen Supermacht, ihrem damaligen strategischen Hauptgegner, ihr Vietnam zu bereiten. Die Taliban besiegten dann später die vorherigen dominierenden Kräfte, die wahrscheinlich zu unkontrollierbar wurden, keine gefestigte Herrschaft zustande brachten und sich endlos untereinander bekriegten.

 

Fortschrittliche Kräfte in Afghanistan, die bei den Kriegen quasi zwischen Mühlsteine gerieten, haben hier über solche Hintergründe berichtet, als zu der Zeit der Konferenz zu Afghanistan „Petersberger Prozess“ 2001 hier die politische Linke Kontakt zu ihnen suchte und Veranstaltungen stattfanden – zum Beispiel mit Vertretern der der Organisation RAWA (Revolutionäre Vereinigung der Frauen Afghanistan), einer Organisation, die im Untergrund von den Islamisten verbotenen und schwer bestraften Schulunterricht für Frauen und Mädchen organisiert hatte. Angesichts des „War on Terror“ und des drohenden Krieges im Irak war das Interesse an diesen Vorgängen damals allgemein sehr groß, und die Linke hierzulande bewegte sich zu großen Teilen von der grünen Politik weg und nahm einen Aufschwung.

 

Wenn man die Tätigkeit dieser fortschrittlichen Kräfte in Afghanistan danach weiter verfolgt hat, was die Linke als Ganzes in diesem Land leider weniger tat, dann konnte man bald feststellen, daß z.B. RAWA die angebliche Besorgtheit über die humanitäre Lage als Heuchelei entlarvte, das afghanische Volk als Spielball der geopolitischen Bestrebungen der Besatzungsmächte sah und den Abzug aller ausländischen Truppen forderte, in denen sie nur einen Unterdrücker mehr sahen, der mit seinen Bombardierungen ständig afghanische Zivilisten als „Kollateralschäden“ massakrierte, ohne die Lage im Land insgesamt zum Besseren zu wenden.

 

Den islamistischen Fanatismus hat man seitens der USA seit langem als ein Instrument der Infiltration und Schwächung gegenüber Russland und China, wie auch gegenüber Staaten, die sich von imperialistischer Bevormundung befreien wollten gesehen und deshalb mit aufgepäppelt. Afghanistan liegt mitten in einer strategisch wichtigen Region, nicht weit von Russland und China, von Pakistan und Indien – alles Atommächte und potentielle Gegner – und auch nicht weit von der den USA immens wichtigen strategischen Region des Mittleren Ostens entfernt. Auch wenn die USA den Islamismus als den großen Gegner aufbauen, denn sie brauchen immer den großen, „das Böse“ verkörpernden Gegenspieler, um die eigene Geopolitik zu rechtfertigen, nutzt er ihnen eben auch gleichzeitig und kann auch als Vorwand für ihre Interventionen genutzt werden. So z.B. heute auch in Syrien, wo sie mittlerweile nach einer mit dem IS begründeten Intervention die Al-Qaida-nahen Islamisten sogar beschützen, von denen sich ISIS ursprünglich in Syrien abgespalten hatte, weil sie ja vor allem die ihnen immernoch Widerstand leistende Assad-Regierung weg haben wollen.

 

Zurück zu Afghanistan. Gewiß, es gab eine wohlhabende Schicht, vor allem im landesweit relativ isolierten Kabul, die sich – gerade auch die Frauen – einer größeren persönlichen Freiheit erfreuen konnte, wenn auch ständig bedroht durch Anschläge auf einer bedrohten Insel, denn die USA-abhängige Regierung in Kabul hat das Land niemals wirklich kontrolliert. Die Masse der Menschen hatte in den ausländischen Besatzern vor allem einen Drangsalierer mehr, wobei sich insbesondere die USA damit hervortaten, massenweise Zivilbevölkerung als „kollaterale“ Opfer zu massakrieren nach dem Motto: ‚lieber sollen hundert von denen draufgehen, als einer von uns‘, so wie die USA überall Krieg führen, im Gegensatz zu ihrer allgegenwärtigen Propaganda bis in Unterhaltungssendungen hinein, wo sie immer Kinder vor den grausamen Feinden retten. Kamen Schlächtereien ans Tageslicht, wurden sie schnell wieder unter den Teppich gekehrt und die Schuldigen nicht oder nicht schwer bestraft.

 

Auch die Bundesrepublik beteiligte sich daran; erinnern will ich hier an den Vorfall mit dem Tanklastzug 2009, wo zig Zivilisten bei einer Bombardierung umgebracht wurden, die sich aus einem von Taliban entführten und dann aufgegebenen Tanklastzug Benzin abfüllen wollten. Auch die Soldaten der KSK, die kürzlich durch extrem rechte Kräfte im Inneren aufgefallen sind, haben unter völlig undurchsichtigen Bedingungen an geheimen Aktionen teilgenommen, über die man wohl nicht ohne Grund nichts erfährt. Eine für solche Spezialtruppen nützliche Söldner-Mentalität, daß man bereit ist, jeden auf Befehl als „den Feind“ umzubringen, ohne die Rechtfertigung zu hinterfragen, ist ja bei Neonazis und Ähnlichen schon mal vielfach grundsätzlich vorhanden, also ist die Korrelation sicher nicht zufällig.

 

Wer solchen Stuss noch ernst nimmt wie: „Die Sicherheit Deutschlands wird am Hindukusch verteidigt“, dem ist schwer zu helfen. Das war übrigens der Ausspruch Strucks, Verteidigungsminister einer rot-grünen Bundesregierung, und auch sein Vorgänger Scharping hatte sich nicht mit Ruhm bekleckert. Soviel dazu, aktuell wieder auf einen Regierungswechsel große Hoffnung zu setzen. Damals hat Rot-Grün die Politik von Kohl nach Antäuschen letztlich verschärft durchgesetzt, aber geschickter begründet und umgesetzt: Hatz IV, verstärkte Verschleuderung des öffentlichen Vermögens wie auch vieler kommunaler Wohnungen an den Finanzsektor, Schaffung der gesetzlichen Grundlagen für die Tätigkeit der Hedgefonds und internationalen Finanzinvestoren, Umleitung der Rentenbeiträge in den Finanzsektor, Stichwort Riester, während man gleichzeitig auch mal den Gegner davon mimte und bei der Opposition mitmischte.

 

In der „Verteidigungspolitik“, die ja stets NATO-konform, also USA-konform sein muß, war es nicht gerade besser: Die erste Teilnahme an einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg nach dem zweiten Weltkrieg, dem Kosovo-Krieg, im damaligen Jugoslawien wurde von Fischer, der einer der Lehrmeister Baerbocks ist, als angebliche Schlußfolgerung aus Auschwitz für alternativlos erklärt. Der Einstieg in den Afghanistan-Krieg, den zuerst keiner Krieg nennen durfte, wurde als „humanitäre Mission“ verkauft. Heute sagt Fischer offen: Das war unsere Bündnisverpflichtung. Im neuen Programm der Grünen sind solche Verpflichtungen bereits geschickt eingebaut.

 

Für die USA-Politik war die Bevölkerung von Afghanistan letztlich nur ein Spielball in der Geopolitik. Sie haben zuerst zusammen mit den Saudis und Pakistan fanatische Islamisten mit modernsten Waffen hochgerüstet, ausgebildet, einen Bin Laden zum Anführer aufgebaut, um dort der damaligen sowjetrevisionistischen Supermacht sozusagen vor der Haustür ihr Vietnam zu bereiten, das sie nicht gewinnen konnten. Das hatten sie sich Milliarden kosten lassen, sie haben ihnen sogar die neuesten Boden-Luft-Raketen geliefert, um die Kampfhubschrauber vom Himmel zu holen. Dessen haben sie sich später offen gerühmt. Damit haben sie auch den Grundstein für den fanatischen und international vernetzten Islamismus gelegt, aus dem dann „Al-Qaida“ und ISIS entstanden ist.

 

Sie haben später dann den Aufbau der Taliban in Pakistan als Gegenkraft zu den vorher unterstützten Kräften, die zu unabhängig und zu stark werden wollten, unterstützt, um diese dann nach 9/11 wieder mit Bombardierungen und Drohnen zu dezimieren – und ihnen jetzt wieder das Land zu überlassen, weil sie zur Unterminierung Chinas, nicht zuletzt mittels der moslemischen Minderheit, dort nützlich sind? Morgen können sie wieder als Vorwand dienen für eine Intervention in diesem für die USA wichtigen strategischen Gebiet. Das ist der Pragmatismus der USA, der sich auch kürzlich erst wieder gegenüber den Kurden der YPG gezeigt hat, die erst als Bodentruppen für ihre Luftwaffe gegen den IS dienten und dann der militärischen Intervention Erdogans ausgeliefert wurden, der seinerseits teilweise durch Förderungt des IS aufgefallen ist. Man baut Kräfte mit auf, die einem nutzen, die man später wieder als Feinde bekämpft und umbringt, je nachdem, wie es den eigenen imperialistischen Interessen nutzt.

 

Deshalb war die Teilnahme der Bundeswehr in Afghanistan nicht gerechtfertigt, wie immer sie auch als „humanitär“ und als Polizeiaktion bemäntelt wurde von der damaligen Schröder-Fischer-Regierung. Heute sagt Fischer, daß sie „aus Bündnis-Solidarität keine andere Wahl“ gehabt hätten. Die dort in einem brutalen Krieg traumatisierten oder gestorbenen Soldaten, wie Zivilisten zu Zehntausenden, wurden letztlich für imperialistische Ziele verheizt, im Kampf für die Vorherrschaft der USA. Denn hinter deren Schutzschirm, den selbst zu schaffen sie zu schwach ist, betreibt die hiesige Bourgeoisie ihre internationale Ausbeutung und Rendite- und Profitschäffelung, mit der sie im Inneren Zustände ermöglichen will, die sonst nicht möglich wären, mit dem Ziel, dem inneren Klassenwiderspruch zu entkommen. Diese Art „Freiheit“ der Bourgeoisie sollte am Hindukusch verteidigt werden. Je schwerer sich das aufrecht erhalten läßt, desto mehr steigt die Risikobereitschaft, sich auf größere militärische Abenteuer einzulassen, was angesichts der USA-Politik, die auf eine größere militärische Konfrontation zusteuert, äußerst gefährlich ist.

 

Schluß mit den Auslandseinsätzen der Bundeswehr im Rahmen der Nato-Globalpolitik!

 

Keine Teilnahme an kriegerischen Bestrebungen gegen China oder Russland!

 

 

 

 

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