Internet Statement 2020-40

 

 

 

Wie wir mit der Auswahl von Zahlen und Fakten manipuliert werden

Das ist insbesondere bei der Corona-Berichterstattung der Fall

 

 

Wassili Gerhard  03./05.06.2020

Das war kürzlich ein Ereignis in den Medien, das hängen blieb: 100.000 Corona-Tote in den USA! Aber na klar, da regiert Trump, da muß es besonders schlimm sein. Das findet großen Raum bei uns. Zweifellos, 100.000 Tote, eine große Zahl, die Eindruck macht, 100.000 beendete Leben. In den USA wütet Corona also wegen Trump am schlimmsten in der Welt. Oder?

Sehen wir einmal die Zahlen genauer an.

Um sie wirklich einschätzen zu können, muß man sie zunächst in Relation zur Einwohnerzahl setzen, was für die großen Medien eigentlich kein Problem sein dürfte, aber den Effekt verdirbt, denn da zeigt sich Erstaunliches:

Die USA mit immerhin 328 Millionen Einwohnern haben demnach ca. 305 Tote pro eine Million Einwohner. In Belgien sind es 808, in Spanien 580, in Großbritannien 546, in Italien 545, in Frankreich 437, in Schweden 418, in den Niederlanden 343 auf eine Million. ( Ein kleiner Artikel in einer Seitenspalte weiter hinten im Kulturteil des Tagesspiegel vom 29.05.2020 listet auf Seite 19 diese Zahlen auf)

Sie alle haben in Relation zu ihrer Bevölkerungszahl mehr Corona-Tote als die USA!Anm.1 (So weit man den öffentlichen Zahlen trauen kann, das muß auch dazu gesagt werden.) Aber man muß nach diesen Angaben extra suchen. Sie werden nicht völlig verschwiegen, aber der durchschnittliche Bürger des Landes wird sie nicht kennen. Auch viele Linke nicht. Solcherart gibt es noch mehr Beispiele:

Brasilien, der fünftgrößte Staat der Erde, wird gegenwärtig auch als das Corona-Horrorbeispiel durch die Schlagzeilen gejagt wegen der großen Zahl der Infizierten und hat nach neuesten Zahlen ca. 33.000 Tote durch Corona. Aber die kommen auf gut 210 Millionen Einwohner. Das ist für Brasilien aktuell eine Rate von etwa 150 (!) auf eine Million. Selbst bei der doppelten Zahl würden sich viele europäischen Länder da gerne eine Scheibe abschneiden. Aber Brasilien wird aus politischen Gründen als besonders in der „Corona-Katastrophe“ dargestellt. Ein Schwellenland mit großer Bevölkerungszahl ist eben eine Bedrohung für den Club der etablierten Ausbeuterstaaten, unabhängig davon, wer regiert. Objektive Berichterstattung?

Nun wird niemand vermuten, daß Brasilien eine viel bessere Gesundheitsversorgung hat als beispielsweise europäische Länder. Womöglich ist schon die allgemeine Lebenserwartung für Arme dort allgemein ein Problem, das auf den Zustand der Gesundheitsversorgung weistAnm.2. Ob es wohl eine Rolle spielt, daß keine 10 Prozent der Brasilianer älter als 64 Jahre sind? So fallen die Jahrgänge, unter denen es hierzulande die meisten Corona-Toten gibt, die über-70-Jährigen, ganz gering aus.

Aber auf diesen Punkt sollen wir wohl nicht gestoßen werden, denn die Fakten hierzulande widersprechen den pseudo-humanitären Reden. Während doch alle angeblich zum Schutz der Alten und Kranken in den Lockdown gehen sollten, sind es zu 90 Prozent dieselben Alten und Kranken, die tatsächlich an Corona sterben, und insbesondere die in der Pflege oder in medizinischer Behandlung. Was haben die von dem Lockdown? Sie hätten mehr von ausreichendem Hygienematerial, von ausreichender Schutzausrüstung für das Pflegepersonal, von genaueren Untersuchungen, wer sich angesteckt hat, aber damit sieht es bis auf den heutigen Tag nicht so gut aus.

So gibt es bei den über 70-Jährigen ca. 90 Prozent der Todesfälle! (wie übrigens auch in Schweden Anm.3, wo kein solcher Shut-Down stattgefunden hat und deshalb gerade im Gegensatz zu hierzulande ein leichtes Wirtschaftswachstum seit Jahresanfang gemeldet wurde). 97 Prozent aller Toten hatten Vorerkrankungen, mindestens die die Hälfte lebte in Pflegeheimen, dazu kommt ein unbekannter Anteil in der Hauspflege. Wie steht es denn da mit der Versorgung mit Schutzausrüstung? Während sich die Zahl der festgestellten Infizierten – Infizierten im Gegensatz zu schwer Erkrankten – in Deutschland über 65 Jahren mit 19 Prozent annähernd in der Größenordnung bewegt wie ihr Anteil an der Bevölkerung, nämlich etwa jeder Fünfte, stellen sie 90 Prozent der schwer Erkrankten mit tödlichem Verlauf. Bei Menschen unter 60 gab es dagegen in Deutschland insgesamt laut einem Artikel vom 19.05. bis dahin nur 320 (!) Todesfälle. (https://www.tagesspiegel.de/wissen/neue-daten-zu-coronavirus-toten-etwa-97-prozent-der-an-covid-19-verstorbenen-hatten-vorerkrankungen/25837864.html)

Trotzdem wird allen Menschen, auch den Jungen, unter denen es fast keine lebensbedrohlichen Verläufe bei einer Infektion gibt, eine dermaßene Beschränkung der sozialen Kontakte aufgezwungen, wird Panik gemacht, um sie bereit dazu zu machen, daß sie in wirtschaftliche Notlagen getrieben werden, ihrer Bürgerrechte beraubt, gar wirtschaftlich ruiniert. Die Kinder dürfen nicht in die Schule, Familien, die es sowieso schwer haben, wenn sie nicht zu den Betuchten gehören, werden zusätzlich belastet usw. Und das alles wird angeblich zum Schutz der Alten und Schwachen gemacht, obwohl gerade die Angreifbarsten, die alten Pflegebedürftigen nicht so geschützt werden, wie nötig. So wie ja auch bei schweren Grippeepidemien vor allem die Alten sterben (und bei der letzten besonders großen Grippeepidemie 2018/2019 gab es nach Schätzungen des RKI 25.000 Tote, was kein so großer Aufreger war. Auch die tausenden Toten durch resistente Krankenhauskeime waren kein solches Panikthema.)

Das „stille Sterben“ in den isolierten Pflegeeinrichtungen, wie es kürzlich jemand bezeichnet hat, ist die Realität des angeblichen besonderen Schutzes. Ein allgemeiner Shut-Down und Beschränkung der Sozialkontakte für die weniger gefährdete Bevölkerung im besten arbeitsfähigen Alter und jünger, von der sie in den Heimen ja sowieso weitestgehend isoliert werden, hilft den Insassen nicht viel und verhindert kaum die schweren Krankheitsverläufe. Wie unzureichend die Schutzmaßnahmen in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern vielfach sind, zeigt sich auch in hohen Zahlen von infiziertem Personal, wobei die Dunkelziffer hoch ist, denn nicht jeder Infizierte hat überhaupt Symptome oder andere als bei einer normalen Erkältung.Anm.4

Und das ist nicht alles. Wir werden wohl nie erfahren, den Tod wie vieler Insassen von Alters- und Pflegeheimen, den geistigen Abbau wie vieler, die lange soziale Isolation noch beschleunigt hat, weil sie den Lebenswillen geschwächt hat. Hier hat man, zynisch ausgedrückt, doppelt Kosten gespart: Kosten für den Seuchenschutz, Pflegekosten und Rente für die Gestorbenen. (Und ähnlich wird es auch in Schweden sein, wo auch zu 90 Prozent über 70-Jährige gestorben sind.) Im Kapitalismus sind eben die ärmeren Alten nicht mehr so viel wert. Daß es in anderen europäischen Ländern schlimmer ist, macht es nicht besser. Vielleicht sind die besseren Zahlen in Deutschland im Vergleich der Tatsache geschuldet, daß es immer noch eine breite wohlhabende Schicht gibt, und daß deren Alte und Kranke besser geschützt werden. Das wäre einmal zu erforschen. Daß es da Unterschiede geben muß, liegt doch auf der Hand. (Ein Michael Schumacher zum Beispiel wäre längst tot, die Geräte wären abgeschaltet worden, wenn er arm und unbekannt wäre.)

 

Die Generationen werden gegeneinander gehetzt

Es werden hier nicht zum ersten Mal die Generationen gegeneinander gehetzt. Nicht nur daß den Jüngeren erzählt wird, daß sie den Lockdown zum Schutz der Älteren bekommen. Ausgangssperren für Alte werden auch öffentlich erwogen, angeblich damit die Kontaktsperren für die Jüngeren gelockert werden können. Das ist extrem übel und unsinnig, denn das Ansteckungsrisiko ist keine Altersfrage. Wie man an den angeführten Zahlen oben sieht, stecken sich die Alten auch nicht wesentlich öfter an als alle anderen. Es sind auch nur ein paar tausend von einer Millionenanzahl, die so schwer krank werden, daß sie sterben, eben normalerweise diejenigen, die gesundheitlich besonders angegriffen und geschwächt sind, was mit zunehmendem Alter eben häufiger wird.

 

Warum nun aber der Lockdown in dieser Form mit seinen ökonomischen Folgen?

Die Krise ist nur mittelbar durch Corona verursacht und insbesondere nicht durch den Schutz der Alten, der so, wie getan wird, gar nicht stattfindet. Es ist vor allem eine ökonomische Krise des gegenwärtigen kapitalistischen Systems, deren Ausbruch man forciert hat, nachdem man schon seit Längerem liebe Not hatte, den Ausbruch dieser Krise aufzuschieben, es letztes Jahr schon am Rande der Rezession verlaufen ist. Seit der letzten Finanzkrise wurde mit allen Gegenmaßnahmen die nächste Krise nur aufgeschoben. Aber so kann man die Krise jetzt auf Corona schieben, ein Virus, und soziale Proteste wurden gleichzeitig erheblich behindert.

Auch die Mieterbewegung, die Ende März einen europaweiten Aktionstag geplant hatte, mit monatelanger Vorbereitung, wurde erheblich paralysiert. Klar ist längst: die Auswirkungen der ökonomischen Krise werden die Auswirkungen des Virus völlig in den Schatten stellen. So wie auch die imperialistischen Kriege auf der Welt in ihren Auswirkungen bei weitem schlimmer sind. Deshalb versucht man nun mit allen Mitteln den Fokus weiter auf Corona zu richten und neue Panikmeldungen zu kreieren. „Ich will, daß ihr in Panik geratet“(und euch weniger um die sozialen Fragen kümmert) dieses alte und auch aktuelle grüne Motto gilt dabei.

Die Eingriffe in die Bürgerrechte sollen nicht völlig wieder aufgegeben werden, und man versucht mit allen Mitteln die Lage so dramatisch wie möglich darzustellen. So werden seit kurzem und in nächster Zeit noch verstärkt die Tests an symptomlosen Menschen ausgeweitet werden, in Berlin gibt es schon zwei Drive-ins für Tests, was die Fälle hervorholen wird, die bisher nicht auffallen. So kann man wieder höhere Zahlen (von festgestellten Infizierten, was nicht das Gleiche wie Kranke ist) generieren und z. B. den sogenannten R-Wert hochbringen, ohne daß objektiv wirklich die Lage schlechter wird. Wie ja die Zahlen überhaupt bisher sehr stark von der Häufigkeit der Tests abhängen. Dabei basiert auch die Strategie der Bundesrepublik letztlich darauf, daß allmählich so viele eine Infektion durchmachen, daß es genügend Einwohner gibt, die Resistenz gegen den Erreger besitzen, was bei einem Teil offensichtlich schon von vornherein der Fall ist.

Es zeigte sich in diesem Zusammenhang auch wieder einmal, daß unsere ach so famose Presse mit der objektiven Qualitätsberichterstattung nicht so korrekt ist, wie sie vorgibt zu sein. An allem ist zu zweifeln, und den Zweifeln ist nachzugehen – dieses bewährte Motto gilt auch da. Zugegeben, man findet dort auch Fakten, mit denen man vieles widerlegen kann, was da so vielfach in die Welt hinaus geblasen wird, wenn man sie sucht und eine Vorstellung davon hat, wonach man sucht. Auch das Internet ist da eine sehr große Hilfe, wenn man es sinnvoll zu nutzen weiß und die Spreu vom Weizen trennt. Aber das ist eben ein anderer Umgang mit Medien als der allgemein übliche. Man muß gegenchecken, prüfen, anzweifeln, vergleichen und den Widersprüchen und Zweifeln auf den Grund gehen. Die viel verbreitete Mär, daß die „Qualitätsmedien“ als „Sprachrohr der Wissenschaft“, die immer Recht hat, schon alles liefern und man nur allen anderen Mißtrauen muß, ist in Wahrheit der Versuch, die Manipulation zu monopolisieren.

Wenden wir uns verstärkt den sozialen Fragen zu!

 


Anm.1  Wichtig ist dagegen die überproportionale Krankheitsrate bei der farbigen Bevölkerung. Die sagt etwas über die Gesellschaft aus, wie man ja auch aktuell am Thema Polizeibrutalität gegenüber der farbigen Bevölkerung sieht. Die hat es selbst noch unter einem schwarzen Präsidenten gegeben, das ist ein tief in der Entwicklung der Gesellschaft der USA verwurzeltes Problem. Und auch in den USA scheint Corona weit überproportional die Bewohner von Alten- und Pflegeheimen zu betreffen. Aber der Einfluß des Lockdown auf die Zahl der besonders schweren Krankheitsverläufe scheint bei Corona nicht so groß zu sein, wie behauptet wird. Lokale Lockdown-Maßnahmen wie Schulschließungen kennt man in den USA auch schon bei vergangenen Grippeepidemien, wo es teilweise auch zu hohen Todeszahlen gekommen ist.

Anm.2  So ist die Kindersterblichkeit bei Geburten mehr als dreimal so hoch wie in Deutschland, das selbst auch noch nicht unbedingt Spitze ist, obwohl viel wohlhabender. Gerade da wäre etwas zu tun. Aber das ist wahrscheinlich weniger ein Problem, auf das man aufmerksam machen will, denn Brasilien als „Schwellenland“ ist ein Konkurrent und Störenfried, und da gilt jeder Mensch mehr als eine Gefahr mehr, jenseits aller schönen Worte.

Anm.3  Es heißt in demverlinkten Artikel:

„Alte Menschen werden in Schweden möglichst lange zu Hause betreut, bis sie so gebrechlich sind, dass sie rund um die Uhr der Pflege bedürfen und kommen erst dann in Altersheime. Da das System immer mehr auf Effizienz ausgerichtet worden sei, bekämen mehr und mehr Menschen nicht die Hilfe, die sie eigentlich bräuchten.

Eine Zahl, die in diesem Zusammenhang besonders häufig zitiert wird, ist, dass in den 1980er Jahren in der häuslichen Pflege eine Person an einem Vollzeitarbeitstag durchschnittlich vier Menschen besucht habe, inzwischen seien es zwölf, erzählt Lisa Pelling. Damit habe das Personal im Schnitt nur noch eine Viertelstunde Zeit, um bei den Pflegebedürftigen zu sein.“

Im ungenügenden Schutz der Insassen dieser Heime dürfte die Ursache der relativ höheren Todesrate in Schweden liegen, während weniger Lockdown anscheinend nicht das Problem war.
(Hervorhebungen von mir.)

Anm.4  In einem kürzlichen Fernsehbeitrag zeigte man ein Altenheim, wo man den Insassen nach Wochen der Isolation wieder Besuche ermöglicht hat. Verräterisch war, daß die Leiterin bekundete, sie könne das so machen, weil sie mehr Personal als woanders üblich hat. Und das war schon ein Vorzeige-Altenheim? Es gab für die Besucherin einen frischen Mundschutz, einen Kittel und Überschuhe. Davon träumt sicher so manche andere Einrichtung, selbst Krankenhäuser. Man setzte sich an einen Tisch in einem besonderen Raum, wo eine provisorische Schutzwand, ähnlich wie bei einer Supermarktkasse, quer über den Tisch gebaut war.
Ich durfte mal selbst eine Quarantäne-Station kennenlernen. Die Krankenzimmer hatten ein großes Fenster nach draußen mit einer Sprechanlage für Besucherkontakt. Derartiges hätte man die ganze Zeit leicht in fast allen solchen Einrichtungen schaffen können und die Insassen nicht sozial isolieren müssen. (Dieses Krankenhaus wurde übrigens zu Gunsten von Luxuswohnungen auf dem Gelände geschlossen.)

 

 

 

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