Internet Statement 2016-62

 

 

Erste Einschätzung zu den Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern

 

Wassili Gerhard   04.09.2016     

Die Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern mit 1,3 Millionen Wählern sind gelaufen. In diesem überschaubaren Armenhaus Deutschlands kann man gut Trends ablesen. Alles schaute wie gebannt auf das Abschneiden der AfD. Sie wurde zweitstärkste Partei. In einer ersten Stellungnahme gleich nach Schließung der Wahllokale verkündete der Spitzenkandidat der AfD, es gebe wieder eine Opposition. Das trifft durchaus einen wunden Punkt. Viele werden sie gewählt haben, weil sie eine Opposition zur herrschenden Politik wollen. Sie sind eben auch in nicht unerheblichem Maße die Adresse der sogenannten „Protestwähler“. Die etablierten Politiker selbst sind es, CDU und SPD, aber auch Grüne und Linke, die die AfD hochziehen, indem es kaum eine ernsthafte Opposition auf der Linken gibt. Nicht nur Merkels CDU wurde abgestraft, alle anderen Parteien haben erheblich verloren.

Die AfD ist unakzeptabel vor allem deshalb, weil sie nach rechts offen ist und niemand weiß, wie weit das in Zukunft noch gehen wird. Die Faschisten rücken heute vom diskreditierten Faschismus des Hitlerismus äußerlich ab und kleiden ihre faschistischen und rassistischen Positionen in ein „moderneres“ Gewand, als „identitär“ oder „ethnopluralistisch“. Neue moderne Wörter für alte Inhalte. Offenbar werden extrem rechte Kräfte von dieser Partei angezogen und sehen eine Perspektive innerhalb dieser Partei, dort mit ihren Positionen durchzukommen. Das trübt erheblich die Freude über den Rückgang der NPD-Stimmen. Gäbe es auch eine linke Opposition, die diesen Namen verdient, würden sie weniger absahnen können, denn ein Teil ihrer Stimmen werden auch sogenannte „Proteststimmen“ sein.

Die SPD hatte ursprünglich mit noch größeren Verlusten gerechnet, wahrscheinlich ist ihr zugute gekommen, daß sie sich in der letzten Zeit rhetorisch in einen gewissen Abstand zur „alternativlosen“ Merkelpolitik gebracht hat. In diesem Sinne ist auch die Aussage in einem ersten Statement von SPD-Vize Ralf Stegner: Das Ergebnis sei eine "schwere persönliche Niederlage von Bundeskanzlerin Angela Merkel". Sie tun traditionell immer so, wenn sie in Koalitionen sind, als wenn alles Schlechte nur vom Koalitionsparter zu verantworten sei.

Die Linke gräbt sich mit ihren Aspirationen auf Regierungsbeteiligung selbst das Wasser ab. Was sie heute vertreten, wären früher vielfach Positionen innerhalb der „linken SPD“ gewesen. Eine wirkliche Opposition sind sie immer weniger, und damit stärken sie auch die AfD, indem sie auch weniger attraktiv für Protestwähler werden. Und einen gewissen Anteil an Protestwählern, die nicht gerade links waren, hatten sie auch früher. In MV haben sie durchaus noch einen gewissen „Ostbonus“, aber auf lange Sicht wird das aus demografischen Gründen weniger werden.

Die Wahlbeteiligung war nach ersten Schätzungen höher als 2011. Da lag sie bei gut 51 %, das war der bis dahin niedrigste Wert bei einer Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern gewesen. 1997 waren es noch 79,4 %. (siehe auch die Welt vom heutigen Tage: „Sehen Sie hier das ehrliche Wahlergebnis“) Jetzt jubelt man schon, weil sie über 60 % kommen soll, das erste Mal seit 1997 geht es nicht weiter bergab. Das zeigt aber auch, daß der Anteil der wahlberechtigten Bürger, die in keiner dieser Parteien eine Vertretung ihrer Interessen erkennen, weiter sehr hoch ist und den Anteil der Wähler selbst der stärksten Partei übersteigt. Eventuell war es der Wunsch, Merkel eine Abfuhr zu erteilen, der dieses Mal den Trend gebrochen hat. Wenn die SPD als stärkste der gewählten Parteien ca. 30 % der abgegebenen Stimmen bekommt, so sind das ca. 30 % von ca.60 % der Wahlberechtigten. Also nicht einmal 20 % der wahlberechtigten Bürger haben dieser Partei ihre Stimme gegeben! Das feiern sie als Erfolg. Alle Parteien, die es in den Landtag schaffen, werden nach dem gegenwärtigen Stand, zusammen nicht einmal von der Hälfte der Wahlberechtigten eine Stimme bekommen haben.

Aber das ist für keine dieser Parteien ein Grund, die eigene Politik in Frage zu stellen. Man schimpft stattdessen auf die Wähler und bezeichnet sie als inkompetent. In Nordrhein-Westfalen unter Kraft will man sogar nicht mehr auf das Wohl des Volkes den Amtseid leisten. Da kommt einem der alte Rat von Brecht in den Sinn, die Regierung möge sich doch ein neues Volk wählen. Und in eine solche Richtung geht deren Politik in der Tendenz heute tatsächlich.

Die bürgerliche Herrschaft wird immer hohler, aber es fehlt die Alternative. Die Schwäche der Linken in diesem Land (der wirklichen Linken, nicht der Partei, die sich so nennt), ist das größte Problem derzeit. Eine Alternative von Rechts ist keine. Der Kapitalismus befindet sich in einem Stadium fortgeschrittener innerer Zersetzung. Ein Sieg über bestimmte fehlerbehaftete Gegenentwürfe ändert das im Prinzip überhaupt nicht. Die Notwendigkeit seiner Überwindung bleibt bestehen.

 

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