Internet Statement 2013-35

 

 

Nein zu diesem Volksentscheid für den Rückkauf der Berliner Stromversorgung!

Verbraucher und Steuerzahler sollen nicht ein weiteres Mal für dubiose Projekte bluten

 

Wassili Gerhard   24.10.2013     

Der Termin der Abstimmung über den Volksentscheid zum Rückkauf der Berliner Stromversorgung durch die Öffentliche Hand rückt näher. Obwohl tatsächlich einiges dafür spricht, daß solche wichtigen Aufgaben bei der sogenannten „Öffentlichen Hand“ angesiedelt werden, sind die konkreten Umstände hier so, daß es nicht befürwortet werden kann, daß der Steuerzahler hier bluten soll, um ein Unternehmen zurückzukaufen, dessen Verschleuderung 1997 tatsächlich ein Skandal war. Aber die Bedingungen, wie dieser Schritt nun angeblich wieder korrigiert werden soll, stinken noch mehr zum Himmel.

„Wir“ bekommen diese Betriebe wieder in die Hand, wenn sie wieder in Staatsbesitz kommen? Gegenwärtig nimmt doch die Ausplünderung der Menschen hier durch den Staat, während die wirklich wichtigen Versorgungsaufgaben mit dem Rotstift zusammengestrichen werden, immer schlimmere Formen an, das kann jeder sehen. Ein Beispiel ist die S-Bahn, die heute schlechter läuft als zur Zeit der DDR-Verwaltung mit einem überwiegenden Bestand an Wagen aus der Vorkriegszeit. Sie gehört heute der ehemaligen Bundesbahn, der Deutschen Bahn AG, aber diese ist doch immer noch zu 100 % in Staatsbesitz. Mit viel Geld herumwerfen um Züge zu bestellen, die heute schon wieder marode sind, und damit bestimmten großen Konzernen große Gewinne in den Rachen schieben, das konnten sie gut. Der Staat selbst hat doch selbst die Umwandlung des Unternehmens in eine AG betrieben, um die Bahn ungehindert durch öffentliche Kontrolle als Melkkuh behandeln zu können und selbst jedes Jahr hunderte Millionen herausziehen zu können. Die Forderung nach Verhinderung der Privatisierung in den Mittelpunkt zu stellen, geht da am Wesentlichen vorbei. Gerade aktuell ist die Feuerwehr in Not, weil sie fast kaputt gespart wurde, und wie der Staat als Bauherr auf der Flughafen-Baustelle wirtschaftet, wo die Baukosten mittlerweile schon von zwei auf fünf Milliarden gestiegen sind, ohne daß irgend jemand sagen kann, wann denn dieser Flughafen mal einer ist, das ist ein Paradebeispiel für zum Himmel schreiende Mißwirtschaft. Die Aufzählung ließe sich fortsetzen.

In einem Videobeitrag von Campact (einer „Werbeagentur für Bewegungen“, die bei der Kampagne für den Volksentscheid mitmischt) heißt es, daß man mühelos mit Krediten das Unternehmen zurückkaufen könne und dann ein ach so bürgerfreundliches „Bürger-Stadtwerk“ mit „100 % Ökoenergie aus der Region“ errichten könne, das den armen Bürgern Berlins angeblich auch dann den Strom nicht abstellt, wenn sie ihre Stromrechnung nicht mehr bezahlen können. Da schwant ihnen wohl selbst, daß mancher, der nicht ganz so gutgläubig ist, sich ja in der Tat fragen könnte, ob der Strom nicht noch viel teurer dabei wird, und so abwegig ist diese Überlegung in der Tat nicht. Campact weiß natürlich, daß ein großer Teil der Berliner Bevölkerung arm ist, und so wird hier erst einmal das Blaue vom Himmel versprochen.

Alles soll ganz einfach sein: Geben wir einfach mal ein paar Milliarden öffentliche Gelder aus und kaufen die BEWAG von Vattenfall zurück, den Kredit dafür können wir doch mit den Gewinnen toll zurückzahlen, und dann finanzieren wir noch den Umbau auf „100 % Ökoenergie aus der Region“ damit, (das kostet ja nichts, sehen wir doch beim EEG) und dann versprechen wir denen, die die Stromrechnung nicht bezahlen können, auch noch großzügig die Stundung der Zahlungen, wenn sie in Verzug geraten – und für was noch alles wollen sie der Kuh das Fell wieder und wieder über die Ohren ziehen? Und diese Kuh sind doch eigentlich dabei die Stromkunden oder Steuerzahler, denn da muß das ganze Geld ja letztlich herkommen, einschließlich die Zinsen der Kredite. Versprechungen gehen diesen Leuten mittlerweile leicht über die Lippen, da haben sie bereits professionelles Niveau des hiesigen Politikbetriebes erreicht, so wie die Grünen nun auch allmählich die alten pseudolinken Figuren ausrangieren und auch schon „Spitzenpersonal“ haben, das würdig befunden wird, in der „Atlantikbrücke“ aufgenommen zu werden, einer Lobbyorganisation für Führungskräfte aus Politik und Wirtschaft, die hinter den Kulissen die Zusammenarbeit mit den Führungskreisen der USA koordiniert. Und derartigen Kräften sollen wir trauen, daß sie uns das tolle Stadtwerk mit „Erneuerbarer Energie“ und billigen Preisen bauen? Und Menschen, die sich selbst für links halten und die immer noch gläubig den Grünen hinterherlaufen, grüne Kampagnen betreiben, die sind doch offensichtlich schon wegen ihrer Unbelehrbarkeit nicht vertrauenswürdig.

 

Was heißt hier eigentlich, das sei jetzt eine Gelegenheit zum Kauf der Stromversorgung, die sich nur alle 20 Jahre bietet.

Warum müßte denn überhaupt dieses Unternehmen, das sich noch vor weniger als 20 Jahren überwiegend in Besitz der öffentlichen Hand befand, mit so viel Geld zurückgekauft werden?

Ist der Rückkauf des Berliner Stromversorgungsunternehmens für voraussichtlich drei Milliarden Euro wirklich so ein Schnäppchen? Dabei muß man erst einmal berücksichtigen, daß erst 1997 das Stromversorgungsunternehmen, damals mit dem Namen BEWAG, an dem die Stadt Berlin bis dahin den Löwenanteil besessen hatte, zum Schleuderpreis weggegeben wurde. Damals sei der Verkauf dieses besonders gewinnträchtigen Unternehmens angeblich unumgänglich gewesen, weil der Staat angeblich grundsätzlich ein schlechterer Unternehmer sei als ein Wirtschaftsunternehmen und weil, wie es hieß, die zerrütteten Staatsfinanzen unbedingt eine Geldspritze nötig gehabt hätten. Das war sogar noch vor dem Auffliegen der skandalösen Geschäftspraktiken der Berliner Bankgesellschaft, was dann bekanntlich noch ein Loch von mehreren Milliarden in den Staatshaushalt gerissen hat.

Die damals gegebene Begründung des Senats für den Verkauf der BEWAG - wie heute war es eine Große Koalition, aber unter CDU-Führung - steht allerdings im Widerspruch dazu, daß gerade ein besonders gewinnträchtiges (oder sogar das gewinnträchtigste?) städtisches Unternehmen verkauft wurde und dann auch noch zu einem Schleuderpreis, offensichtlich weit unter Wert. Der damalige Käufer, das amerikanische Unternehmen Southern Energy als Anführer eines Konsortiums, verkaufte das Unternehmen nach nicht langer Zeit für ca. eine dreiviertel Milliarde mehr als der Kaufpreis an Vattenfall weiter, machte also damals in Wahrheit das große Schnäppchen damit.

Das sieht allerdings verdächtig nach etwas ganz anderem aus, als einer Aktion, um die Staatskasse zu füllen. Warum hält sich die Initiative, die hinter dem Volksentscheid steht, hier merkwürdig bedeckt? Dabei wäre eine Aufklärung der Hintergründe hier sehr verdienstvoll. Vor 10 Jahren ist der Autor dieses Beitrags herumgelaufen in Berlin und hat dafür geworben, daß diese Vorgänge, so wie auch die Vorgänge um den Verkauf anderer öffentlicher Unternehmen damals, wie auch des Gasversorgungsunternehmens, die ähnlich dubios waren, zum Thema gemacht werden und daß dort eine Untersuchungs- und Aufklärungstätigkeit begonnen wird. Da bestand bei manchen wenig Interesse daran. In der Initiative Berliner Bankenskandal, die auf ihrem Gebiet damals wichtige Aufdeckungen geleistet hat, war man gerade dabei, alles in einen solchen seichten Verein zu überführen, wie es diese aktuelle Kampagne jetzt ist, und das ganze in die Arme der Grünen zu treiben. In Unterschriften-Sammelaktionen konnten die Linken noch als Hilfskräfte zum Unterschriftensammeln u. ä. Beschäftigung finden, während die wichtigen Entscheidungen in die Hände von „Expertengremien“ und „Sponsoren“ gelegt wurden, und auf das Wohlwollen „bekannter Prominenter“ in staatstragenden Funktionen besonderer Wert gelegt wurde.

Die Vorgänge um das Berliner Stromversorgungsunternehmen zum Thema zu machen, wäre sicher eine lohnende Aufgabe, dafür gibt es wichtige Hinweise.

 

Auffallende Parallelen zu früheren Vorgängen

Das Berliner Stromversorgungsunternehmen ist mehrmals zwischen öffentlicher Hand und privater Hand hin und her gegangen.
Anfang des 20. Jahrhunderts wurde die Firma als ein Privatunternehmen im Rahmen der AEG gegründet, als aber dann gewaltige Investitionen in den Aufbau des Stromnetzes fällig wurden, ging sie in die Öffentliche Hand über. Die AEG verdiente natürlich dann gut an den öffentlichen Aufträgen.

1931, in Zeiten großer Wirtschaftskrise, wurde das Unternehmen schon einmal zum Spottpreis zu großen Teilen privatisiert: Diese Vorgänge sind heute weitgehend unbekannt, aber damals gab es manches, was aufgedeckt wurden, aus dem man für heute Lehren ziehen kann. (Anmerkung)

Der damals auch völlig überschuldete Berliner Magistrat, der schon neue Kredite brauchte, um die Zinsen der alten zahlen zu können und überhaupt zahlungsfähig zu bleiben, wurde von Finanzkreisen zu einer Gegenleistung aufgefordert, wenn er weiter in großem Maße Kredite erhalten wollte. Man hatte ein Auge geworfen auf die BEWAG. Das Gewinn abwerfende Unternehmen war ein attraktives Objekt, gerade auch in der Wirtschaftskrise, und es war sozusagen gegen Bankrott gesichert, denn der Staat mußte unter allen Bedingungen die Stromversorgung garantieren. Während die Aktion nach außen als eine Aktion verkauft wurde, durch die wieder Geld in die Kassen gespült wurde (wie sich die Bilder gleichen!), wurden die Vertragskonditionen so gestaltet, daß die BEWAG die Erwerber fast nichts kostete, -- und eine Gewinngarantie wurde auch ausgehandelt (!), alles natürlich geheime Konditionen, die der Öffentlichkeit vorenthalten wurden! So wurde das öffentliche Eigentum verschleudert, weil das Finanzkapital eben auch nicht ohne Gegenleistung bereit war, völlig überschuldeten öffentlichen Haushalten weiter in großem Umfang Kredite zu gewähren. (Als nach dem Zweiten Weltkrieg alles wieder aufgebaut werden mußte, übernahm der Staat wieder einen größeren Anteil.)


Die Parallelen zu der Privatisierung der öffentlichen Anteile an der BEWAG 1997 und überhaupt den damaligen Privatisierungen öffentlichen Eigentums springen ins Auge. 1997 wurde - wieder in der Situation der Überschuldung - die BEWAG so günstig verschleudert, daß der Käufer, ein Konsortium unter der Führung des amerikanischen Unternehmens Southern Energy, das Unternehmen nach relativ kurzer Zeit für mehr als eine dreiviertel Milliarde mehr als der Kaufpreis an Vattenfall weiterverkaufen konnte.

Wie kann man solche Vorgänge heute einfach so übergehen und jetzt einfach so sagen, eine solche „Chance zur Rekommunalisierung“ biete sich nur alle zwanzig Jahre, also schnell mal ein Kredit aufgenommen und alles zurückgekauft mit öffentlichen Geldern. Eine Aufklärung der Vorgänge hinter den Kulissen wäre hier immer noch dringend geboten, aber das sucht man vergeblich bei den Betreibern dieser Kampagne, und die scheinbare Blauäugigkeit, mit der hier weitere Kredite in Milliardenhöhe befürwortet werden, ist schon sehr bedenklich, wenn nicht verdächtig. Der öffentliche Anteil wurde bisher immer dann erweitert, wenn große Kosten anstanden, die den Gewinn schmälern.

Letztlich soll doch anscheinend der Stromverbraucher und Steuerzahler hier wieder bluten, jetzt auch noch zusätzlich für die sogenannte „Ökowende“ auf dem Stromsektor, für die wir sowieso schon immer mehr zur Kasse gebeten werden, und wo tatsächlich in den Sternen steht, wie da eine zuverlässige und bezahlbare Stromversorgung herauskommen soll bei dieser geplanten Schleifung einer Infrastruktur, die diesem Land immerhin bis vor kurzem noch eine der zuverlässigsten Stromversorgungen in der Welt garantiert hat.

 

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Anmerkung:
In dem 1957 erschienenen Buch von Martin Schmidt „Die BEWAG-Transaktion im Jahre 1931“, bisweilen noch antiquarisch erhältlich, sind viele Fakten zu den Vorgängen enthalten. Im Falle dieser BEWAG-Transaktion ist es einmal in besonderer Weise gelungen, bei einem solchen Geschäft, bei dem die Hintergründe vor der Öffentlichkeit verborgen werden sollten, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen.

 

 

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