Internet Statement 2012-11

 

Zur gegenwärtigen Zuspitzung im Mittleren Osten

Über die Aufgaben des internationalen Proletariats im Kampf gegen die Kriegsgefahr

Maria Weiß  6.4.2012    

Israel, der gegenwärtige israelische Staat, ist kein gewöhnlicher Staat. Israel ist Vorposten des Imperialismus im Mittleren Osten. Als solcher wurde er geschaffen und als solcher funktioniert er seit über sechzig Jahren. Dies läßt sich durch unzählige Dokumente belegen, ebenso wie es der Erfahrung der Völker entspricht. Die Frage ob ein solcher Vorposten selbst Atomwaffen besitzt oder nicht ist von daher sekundär. Sollte er (noch) keine besitzen, würde er, wenn es den Imperialisten opportun scheint, jederzeit zu welchen kommen. Auf der anderen Seite, besitzt er welche, kann man sicher sein, daß diese nicht in Anwendung kommen ohne die Zustimmung des imperialistischen Oberherrn in Form vor allem des USA-Imperialismus, bzw. solcher Kräfte innerhalb desselben, die über einen entsprechenden Einfluß verfügen.

Die kürzlich gemachten Äußerungen von Benjamin Netanjahu, einen militärischen Angriff auf iranische Atomanlagen in Betracht zu ziehen, kann man insofern auch nur in ihrer Substanz tatsächlich verstehen, wenn man sie auf dem Hintergrund der weltweiten Krise des Imperialismus und der weltweiten Zuspitzung kriegerischer Absichten und Aktivitäten desselben betrachtet. Derartige Drohungen davon loszulösen führt in die Irre.

Es ist zwar verständlich daß auch solche Empörung darüber aufkommt, die vielleicht nicht diesen politischen Überblick hat oder auch nicht haben will, was immer es auch sei, aber man kann letztendlich diese ganze Angelegenheit nur im Gesamtzusammenhang begreifen und auch nur in Verbindung mit diesem wirksam in der richtigen Weise bekämpfen.

Kein auch nur einigermaßen politisch denkender Mensch kann ernsthaft annehmen, daß die Regierung dieses Staates Israel Atomsprengköpfe oder Atomwaffen in Anwendung bringt, ohne Rückendeckung der imperialistischen Großmacht USA. So etwas ist kindisch.

Das ganze wirklich ohrenbetäubende Presse- und Medientheater hierzulande anläßlich gewisser kritischer Äußerungen von Schriftsteller Günter Grass beispielsweise dient vor allem dazu, Länder wie Deutschland zum Beispiel gefügig zu machen, unter Umständen einen solchen Anschlag, ein solches imperialistisches Verbrechen zu rechtfertigen, und es möglicherweise sogar zu unterstützen. Entsprechende Bekundungen sowohl von bürgerlicher als auch pseudolinker und vor allem grüner Seite weisen bereits in eine solche Richtung.

Um so mehr ist es selbstverständlich vollkommen richtig, derartige Drohungen nicht im Raum stehen zu lassen, sondern ganz entschieden dagegen Protest einzulegen. Und nicht nur das, auch potentiell Widerstand dagegen zu organisieren, denn solche Drohungen sind durchaus ernst zu nehmen und passen in das Konzept imperialistischer Drahtzieher, weitere Kriege anzuzetteln - eine Praxis die sie permanent unter Beweis stellen - und dort, wo ihnen sozusagen das Heft aus der Hand zu gleiten droht, mittels solcher die Volksmassen zu disziplinieren, selbst um den Preis größerer Zerstörungen. Dem muß in der Tat entschiedener Widerstand entgegen gesetzt werden.

Es ist weder im Interesse der israelischen Bevölkerung und dient im Übrigen auch nicht ihrem Schutz, noch selbstverständlich der Bevölkerung Palästinas, besser gesagt derjenigen Teile die ihnen schließlich noch zugestanden wurden, als auch der übrigen Länder Arabiens, selbstverständlich auch nicht der iranischen Bevölkerung, daß dort eine solche Provokation Realität bekommt. Mal ganz abgesehen davon, daß durch einen solchen Akt, bzw. einen solchen Militärschlag Dinge sehr schnell außer Kontrolle geraten können und so etwa auch auf andere Bereiche und Kontinente überspringen kann und letztendlich ein Krieg daraus entstehen könnte, der nicht mehr zu kontrollieren ist, auch nicht für die Imperialisten selbst, die ihn initiiert haben, weshalb diese ganze Sache auch unter den imperialistischen Kreisen selbst höchst umstritten ist. Die Obama-Clique ist nicht begeistert von dieser Strategie, wohingegen gewisse Kreise der Neokons in den USA und ihre entsprechenden europäischen Pendants so was offenbar ganz reizvoll finden und einen entsprechenden Druck auszuüben trachten

Was die iranische Clique angeht, so muß man durchaus sagen, daß es eine ganze Reihe Punkte, vor allen Dingen ihr reaktionärer, klerikalfaschistischer Charakter selbst Anlaß dazu geben, daß sie selbst auch an solchen Dingen arbeiten und auch imstande sind, um ihre eigene Herrschaft zu rechtfertigen, unter Umständen ebenfalls so etwas einzusetzen. Das muß allerdings auch festgestellt werden, weil man sonst den reaktionären Charakter dieser Staatsmacht unberücksichtigt ließe, welche ursprünglich ebenfalls vom Imperialismus, namentlich dem USA-Imperialismus, unter Mithilfe europäischer reaktionärer Kräfte im Iran an die Macht gebracht worden ist, um das Land im Sinne des Imperialismus unter der Kontrolle zu halten, was eine ganz erhebliche Qual über Jahrzehnte hinweg für die iranische Bevölkerung zur Folge hatte und immer noch hat.

Allerdings muß man auch betonen, daß sich auch dort die Dinge weiter entwickeln, und zwar nicht unbedingt im Sinne imperialistischer Wunschvorstellungen, eher im Gegenteil, und im Iran sich ebenfalls Kräfte in Richtung Modernität und Infragestellung der klerikalen Herrschaft des Mullah-Diktats entwickeln, was die USA-Imperialisten vor allem mit Soge erfüllt, weil es sich jedenfalls zum Teil ihrer Kontrolle entzieht, geschweige denn daß es ihnen gelungen wäre, in dem Widerstand der Massen im Iran wirklich Fuß zu fassen, um ihn in ihrem Sinn zu manipulieren. Auch andere, beispielsweise das erzreaktionäre Regime Saudi-Arabiens und andere dem Imperialismus gefügige Staaten dort sind darüber äußerst beunruhigt, wenngleich auch dort Bestrebungen existieren, sich vom Imperialismus zu lösen und selbst Modernität auf die Beine zu stellen.

Die Entwicklung in Nordafrika und Arabien im letzten Jahr hat insgesamt gezeigt, daß die Volksmassen ganz andere Dinge im Kopf haben und nicht mehr bereit sind, sich diese Reaktion auf Dauer gefallen zu lassen. Daß diese Bewegung zunächst einmal noch nicht zu den Resultaten geführt hat, welche sich viele dieser Menschen, die Kopf und Kragen riskiert haben, um die Veränderung durchzubringen, erhofft hatten, steht auf einem anderen Blatt. Das sollte aber nicht dazu veranlassen, insgesamt etwa diese Bewegung zu verleugnen. Die Dinge, die sich dort jetzt zum Teil entwickeln sind wiederum von internationalen Imperialismus unterstützt und gewünscht, wie durch den USA-Imperialismus beispielsweise die islamistischen Kräfte in Ägypten und anderen Staaten angeht, denn diese wollte sie immer schon dort haben und haben sie immer schon gefördert, um den revolutionären, überwiegend säkularistischen Einfluß der sechziger Jahre beispielsweise zu begegnen. Es ist daher immer noch weiter notwendig, sehr genau zu differenzieren, und das „Eins teilt sich in zwei“, die wissenschaftliche Methode der materialistischen Dialektik, der Einheit der Gegensätze weiter anzuwenden, welche allein eine konstruktive, aufbauende Weiterentwicklung zuläßt. Revolution differenziert sich von Reaktion, und umgekehrt, echte Massendemokratie muß erkämpft und mit Inhalt gefüllt werden, sonst bleibt sie hohl und für Imperialismus oder auch Revisionismus manipulierbar. Das ist notwendig zu verfolgen, die echten revolutionären Bestrebungen und Kräfte sind zu unterstützen, wenn man ernsthaft am sozialen Fortschritt interessiert ist.

Für revolutionäre Kräfte im Iran beispielsweise ist das allerdings nicht ganz einfach. Was sollen sie machen, welche Stellung sollen sie beziehen, wenn zum Beispiel ausländische Kräfte ihnen versprechen, sie von den eigenen Reaktionären im Land zu befreien? Sie müssen sich fragen, um welchen Preis dies geschähe. Es wäre verkehrt, spontan, ohne Überlegung beispielsweise kriegerische Absichten und Vorstöße des USA-Imperialismus in Verbindung mit Israel gegen die iranische Mullah-Clique zu unterstützen, im Glauben daß sie damit diese Mullah-Clique dann los werden. Das ist eine Sache, die nach hinten los geht. Da kann man sicher sein.

Die Imperialisten auf der anderen Seite sind natürlich ebenfalls bestrebt, in allen möglichen Staaten ihre Parteigänger zu fördern und aus den Löchern zu holen. So etwas konnte man kürzlich in Frankreich sehen, im Zusammenhang mit diesem Toulouser Anschlag. Selten hat es einen Anschlag gegeben, bei dem derartig viele widersprüchliche Meldungen in der Folge publiziert wurden wie bei diesem. Letztendlich muß man sich aber auch hier fragen: wem hat dieser Anschlag genützt? Wer hatte ein Interesse daran, und was sollte damit erreicht werden? In Frankreich herrscht Wahlkampf, welcher durch diese Angelegenheit durchaus seinen Einfluß erfuhr. Die Frage ist aber, in welche Richtung. Und was erkennbar hervortritt, ist, daß vor allem rechte Richtungen daraus am meisten profitiert haben. Das Ergebnis ist letztlich noch offen, aber daß der französische Geheimdienst, vermutlich in Kooperation mit anderen, internationalen Geheimdiensten, dabei maßgeblich mitgemischt hat, springt aus den ganzen Fakten offenkundig heraus und damit ebenso, daß Frankreich auf weitere neokoloniale Vorstöße à la Libyen präpariert werden soll, im Interesse der Ablenkung von den eigenen inneren sozialen Gegensätzen, versteht sich.

Zurück zum Hauptthema. Sowohl die Bevölkerung von Palästina als auch viele Menschen in Israel leiden seit Jahrzehnten unter den imperialistischen Vorgaben und Institutionalisierungen. Es ist überhaupt nicht im Interesse, weder der jüdischen Bevölkerung dort, der palästinensischen schon gar nicht, daß ein derartiges Spannungsfeld existiert, welches permanent ganze Bevölkerungsteile in eine Art künstlichem Kriegszustand, in einer permanenten Gefährdungssituation und Anspannung in dieser Hinsicht erhält und an der Entwicklung von einem normalen Leben, einer normalen Perspektive hindert. Man kann die beiden Seiten natürlich nicht völlig gleichsetzen, denn man muß berücksichtigen, daß die Palästinenser dabei vor allem die Unterdrückten und Benachteiligten waren und immer noch sind, denn ihnen wurde ihr Recht auf einen Staat genommen, sie haben bis zum heutigen Tag immer noch nicht einmal einen Staat, mal ganz abgesehen von der Frage was für einen, sie haben überhaupt kein zusammenhängendes Gemeinwesen, innerhalb dessen sie sich organisieren, in dem sich ein Leben führen, gestalten und weiter entwickeln läßt. Die Anfälligkeit eines solchen Zustandes für permanente reaktionäre, vom Imperialismus begünstigte und provozierte Unruhestiftung liegt auf der Hand. Ohne die permanente Demütigung und Drangsalierung der palästinensischen Bevölkerung durch die verschiedenen israelischen Vorstöße würde es wahrscheinlich auch keinen islamistischen Terror gegenüber Israel dort geben, und umgekehrt. Das ist auch eine Wahrheit, die mal konstatiert werden muß.

Dieser ganze Konflikt, diese ganze „Institution“ in seinem Sinne, die der Imperialismus zwangsweise der Bevölkerung dort aufgedrückt hat, hat tiefgehende geschichtliche Wurzeln, welche jetzt hier nicht näher behandelt werden sollen, die aber schon sehr oft von den verschiedensten Autoren der jeweiligen Bevölkerungsteile behandelt worden sind. Was hier jetzt gesagt werden muß ist, daß Dinge sich weiter entwickeln und verändern. Und in beiden Teilen hat sich einiges geändert in den letzten Jahrzehnten, welches Berücksichtigung finden muß und welches wahrscheinlich nicht besonders gut in das Konzept gewisser reaktionärer Kräfte paßt.

Es muß auch betont werden, da so etwas immer im Raum schwebt, sobald man dieses Thema behandelt, daß auch die arabischen Völker semitischen Ursprungs sind und dazu gehörig sind, der Antisemitismus absurder Weise aber immer nur im Zusammenhang mit Anfeindungen gegenüber jüdischen Bevölkerungsteilen in Verbindung gebracht wird, was natürlich die Spaltung vertieft und verewigen soll. Genau das ist verkehrt und dient ausschließlich der Reaktion.

Letztendlich ist auch hier der Klassenwiderspruch der grundlegende Widerspruch, der zu lösen ist. Daß dies so ist, zeigt sich unter anderem daran, daß zum Beispiel auch in Israel Leute in zunehmender Zahl ihre Unzufriedenheit mit den sozialen Verhältnissen in ihrem Staat, vor allen Dingen bereits im letzten Jahr, aber auch in diesem schon erneut Ausdruck verleihen, was völlig berechtigt ist und den Herrschenden zu schaffen macht. Die Frage ist aber, wohin das führen sollte. Die herrschende Clique dort versucht es umzulenken in ihrem Interesse zur weiteren Ausdehnung der Staatsgrenzen. Das ist verkehrt und führt auch zu keiner Milderung der sozialen Spannung, wie sich bereits gezeigt hat. Diese Bewegung sollte versuchen, sich über die Grenzen hinweg mit den anderen dort lebenden Menschen zu verbinden, mit den Palästinensern vor allem aber auch mit der Bevölkerung anderer arabischer Staaten, und sich gemeinsam mit deren Belangen zu einer gemeinsamen Kraft zusammenfinden. Das wäre genau das Richtige, um diese reaktionäre Klammer dort hinweg zu sprengen, aber ganz anders als es sich reaktionäre, provokationslüsterne Kräfte dort vorstellen.

Es könnte sogar dazu führen, daß letztlich von den Massen ein gemeinsamer Staat erzwungen wird, in dem alle gleichberechtigt miteinander leben, gleich welcher Herkunft und welchen Glaubens sie sind. Und auch egal wer in der weit entfernten Vergangenheit – immerhin handelt es sich um mehrere tausend Jahre- irgendwann einmal dieses Land besessen hat. Das ist inzwischen überhaupt nicht mehr wesentlich von Belang, war es eigentlich noch nie wirklich, wurde aber von imperialistischen Exponenten und deren Ausbeuterinteressen dazu gemacht.

Eins muß man sehen, und das ist meiner Ansicht nach das Wesentliche an dieser gegenwärtigen Lage, an dieser Zuspitzung: diese Drohung mit einem atomaren Angriff wird regelrecht zur Disziplinierung auch der eigenen Bevölkerung benutzt, die keineswegs mehrheitlich hinter so etwas steht, was allerdings auch wahnwitzig wäre, würde sie es tun. Und das wiederum eint die Masse der Bevölkerung in Israel mit der des Iran als auch der übrigen Völker, die in dieser Region leben. Daraus sollten die notwendigen Konsequenzen gezogen werden.

Es sollte allerdings unbedingt eine Kultur entwickelt werden, auf beiden Seiten, daß man Kritik üben darf, Kritik sowohl an der eigenen Clique und Kultur als an der anderen, ohne daß man dafür diszipliniert wird. Ein solcher Stil muß sich durchsetzen, sonst kann sich gar nichts weiter entwickeln. Wenn man die Demokratie ernst nimmt, muß man auch das Recht auf Kritik uneingeschränkt zulassen, sonst ist das Gerede von Demokratie hohles Geschwätz. Das gilt selbstverständlich für alles, und nicht etwa nur für die eine ethnische oder religiöse Richtung und für die andere etwa nicht. So etwas würde nicht funktionieren. Für den einen Staat gilt es, für den anderen nicht, für die eine Regierungsclique ja, für die andere nein. Kritik muß generell erlaubt sein und gefördert werden, was immer auch der Gegenstand sein mag, es muß alles hinterfragt werden können. Nur so haben die Volksmassen, egal welchen Ursprungs, überhaupt eine Chance, in irgendeiner Weise zu einer selbständigen Aktion, zu wirklicher Demokratie zu gelangen.

Es muß also erlaubt sein, ja sogar gewünscht, ein Anliegen, ja eine Aufforderung sein, sowohl Israel zu kritisieren als auch palästinensische und andere arabische Vorstöße und Staaten, als auch Iran und andere zu kritisieren – das Recht muß gewährleistet sein. Tut man das nicht, beschränkt man das etwa nur auf den eigenen Staat und läßt es beim andern nicht zu, dann bedeutet es per se schon mal, daß man die Reaktion konserviert und daraus kann nichts werden.

Die Durchsetzung dieses Prinzips bedeutet selbstverständlich auch, daß historisches Unrecht, da wo es passiert ist, ebenfalls angeprangert werden dürfen muß, egal welcher Staat, welche reaktionäre Clique jeweils dafür verantwortlich ist. Das muß generell erlaubt sein und muß auch zu Resultaten führen können. Es kann nicht auf der einen Seite kritisiert werden, daß der Holocaust beispielsweise geleugnet wird, auf der anderen Seite aber die Vertreibung der Palästinenser ungeschoren bleibt. Das geht nicht. Messen mit zweierlei Maß kann nicht akzeptiert werden, ebensowenig wie das eine Unrecht mit einem anderen gerechtfertigt oder schon gar nicht ausgeglichen werden kann. Selbstverständlich ist auch die Kritik an Letzterem (der Vertreibung der Palästinenser) zu verteidigen und durchzusetzen. Historisches Unrecht, Völkermord, Barbarismus, unter welchem Mantel auch immer, muß überall, wo es existiert hat, an den Pranger. Da darf es keine Selektion geben, die das eine anprangert und das andere akzeptiert oder auch nur unter den Tisch zu kehren versucht. So etwas ist eine beliebte Methode aller Reaktionäre, um die Massen zu spalten und ihre Herrschaft über sie zu erhalten.

Man kann nicht so ran gehen zu sagen: weil uns so etwas angetan worden ist in der Vergangenheit, weil wir vertrieben wurden, weil wir ermordet wurden, können wir jetzt anderen dasselbe antun. Das funktioniert nicht. Damit wird erstens das Unrecht verewigt und zweitens kommt niemals etwas Positives, Konstruktives bei solch einer Herangehensweise heraus. Im Gegenteil, Unterdrückern und Ausbeutern wird Gelegenheit gegeben, die verschiedenen Teile der Massen, der Bevölkerung ewig gegeneinander auszuspielen, zu ihrem Vorteil. Das muß durchbrochen werden.

Kein Mensch, kein Volk und keine Bevölkerungsgruppe muß es akzeptieren, wenn von anderen das eigene Existenzrecht grundsätzlich in Abrede gestellt wird. Nur gilt das eben auch für Alle. Davon mal ganz abgesehen: warum sollte man denn auf Verbündete verzichten in anderen Völkern, die gleiche oder ähnliche Erfahrungen gemacht haben wie man selbst. Warum sollte es nicht möglich sein, daß man gemeinsam dieses Land dort, Israel-Palästina oder Palästina-Israel, egal wie herum, gemeinsam aufbaut und auf diese Weise mit derartigen Vorurteilen, mit zum Teil historisch bedingten, zum Teil ständig künstlich weiter geförderten Konflikten aufräumt und eine wirklich demokratische Gesellschaft aller dort lebenden Menschen zur Entfaltung bringt? Imperialistische Ausbeuterinteressen, und erst Recht rassistischen Prinzipien, die obendrein permanent Unterschiede der Ethnie oder der Religion oder Kultur oder was auch immer dazu benutzen, um zu ihrem Vorteil verschiedene Bevölkerungsteile gegeneinander aufhetzen oder ausspielen, haben allerdings in einer solchen Zielsetzung keinen Platz.

Warum soll man sich denn ewig wegen einem Stück Land oder wegen einer Stadt wechselseitig umbringen, wenn man sie doch gemeinsam bewohnen und aufbauen kann und gemeinsam darin leben kann, auch mit verschiedenen religiösen wie auch nicht religiösen Vorstellungen und Bräuchen? Auch Letzteres muß möglich sein, wenngleich es sekundär ist. Voraussetzung dafür ist allerdings eine strikte Trennung von Staat und Religion und die Erklärung der Religion zur Privatsache jedes einzelnen Menschen. Und daß die Volksmassen, egal ob in Israel oder unter den Palästinensern oder in den übrigen Staaten der Region eine solche Lösung letztendlich bevorzugen werden, das zeigt sich an vielen Punkten, erst kürzlich sogar in Israel selbst, wo der orthodoxe Vorstoß, die Gleichberechtigung der Frauen wieder rückgängig zu machen, kläglich am Widerstand der Bevölkerung gescheitert ist.

Es gilt also das Prinzip durchzusetzen: Kritik ist notwendig, und zwar überall. Und Rebellion gegen Ausbeutung und Unterdrückung ist berechtigt! Ebenfalls überall! Und der Zusammenschluß all derjenigen Menschen, die diese Prinzipien befürworten, ist notwendig!

 

Epilog

Um Isolation zu durchbrechen muß man sich mit dem Kontrahenten auseinandersetzen. Daß Israel in gewisser Weise isoliert ist, das stimmt, aber diese Isolation ist strukturbedingt und zwar in verschiedener Hinsicht. Es gibt also eine ganze Menge zu kritisieren, auch dort.

Diese Isolation ist vom Imperialismus gewollt, und diese ganze Strategie desselben, die seit nunmehr 95 Jahren (am 2. November 1917 wurde die Balfour-Deklaration zur Schaffung einer sog. jüdischen Heimstätte in Palästina vom britischen Imperialismus ins Leben gerufen, welche den Auftakt gab zur Auslöschung des Staates Palästina, der systematischen Vertreibung des Volkes von Palästina aus seinem Land) dort verfolgt wird, des ständigen gegenseitigen Sich-Hochschaukelns mit den übrigen Staaten in der Region, die ist exakt im Interesse des Imperialismus und von diesem gewollt und vorangetrieben. Das ist es unter anderem, was durchbrochen werden muß. Ein hier angekündigter und in Aussicht gestellter, angeblich „präventiver“ Militärschlag gegen den Iran würde aber genau das Gegenteil bewirken. Von daher muß dieser auch als imperialistische Intrige bekämpft und verworfen werden.

Der Zionismus (als eine erzreaktionäre politische Strömung mit dem Ziel der Herauslösung jüdischer Menschen aus ihren jeweiligen nationalen und sozialen Zusammenhängen im Interesse der jeweils herrschenden Konterrevolution), welcher sich von Anfang an auch als eine Art Gegenrichtung gegen den revolutionären Marxismus, die revolutionäre wissenschaftliche Lehre der Befreiung der Arbeiterklasse und der überwiegenden Mehrheit aller Menschen von Ausbeutung und Unterdrückung richtete, stammt aus dem vorletzten Jahrhundert. Aber im Gegensatz zu den Erkenntnissen von Marx und Engels und der gesamten Arbeiterbewegung (des vorletzten Jahrhunderts), welche gerade gegenwärtig und mehr denn je hochaktuell sind, ist der Zionismus von Anfang an obsolet, ein Instrument reaktionärster Kräfte, war er immer schon und sollte endlich, angesichts bis heute andauernder vielfacher blutiger Erfahrung, auf dem geschichtlichen Müllhaufen landen.

Wie bereits schon im letzten Jahrhundert exakt und treffend von Lenin analysiert wurde, sind Zionismus und Antisemitismus wesensverwandt, sie sind quasi zwei Seiten einer Medaille, und beide dienen zur Spaltung der Völker oder auch von Bevölkerungsteilen, zur Überhöhung der einen gegen die anderen, im Interesse der äußersten Reaktion, welche permanent beide gegeneinander auszuspielen bestrebt ist. Heute dienen sie mehr denn je den Ausbeuterinteressen des weltweiten Kapitalismus und Imperialismus. Deswegen müssen diese Strömungen alle beide zurückgewiesen und zutiefst verworfen werden.

Revisionisten verschiedenster Couleur haben diese wichtige Leninsche Kritik im Laufe der Geschichte nie richtig verstanden und es daher nicht zufällig versäumt, dieser reaktionären Theorie des Imperialismus den Garaus zu machen, was mit ihrer eigenen sozialökonomischen Stellung innerhalb der Gesellschaft zusammen hängt, welche sich aus den Extraprofiten des Imperialismus nährt, um in der Arbeiterbewegung Spaltung in seinem Interesse hervorzurufen. Auch das muß kritisiert und überwunden werden.


Überspitzt könnte man es fast so ausdrücken: Der Zionismus ist selbst der größte Feind des heutigen Israel, der heutigen israelischen Gesellschaft.

Es führt nichts darum herum, auch an die eigene Kultur, möge man sie noch so sehr verinnerlicht und liebgewonnen haben, heranzugehen mit Kritik, da wo es notwendig ist. Man muß mit Gewohnheiten und Denkweisen, da wo sie dem Fortschritt im Weg stehen, eben auch hart in’s Gericht gehen und sie gegebenenfalls auch völlig verwerfen. Man muß sich mal vorstellen, 64 Jahre gehen nicht spurlos an den Menschen vorbei, und schon gar nicht angesichts dessen was vorher passiert ist. Da muß schon erhebliche Arbeit aufgewendet werden, um sich von den reaktionären Elementen in der eigenen Kultur zu befreien.

Was angesagt ist, ist wieder mal eine Art zweifach radikales Brechen. Zum einen mit dem Imperialismus selbst, und zum zweiten auch mit der ganzen Kultur, die mit diesem zusammenhängt. Das ist das, was unsere Organisation vor vierzig Jahren, in ihren Ursprüngen, als notwendig erkannt hat, und es ist heute notwendiger denn jemals zuvor. Insofern kann man auch feststellen, daß dieses Grundsätzliche, wie es im Großen Maiaufruf vom April 1972 festgehalten wurde, immer noch eine hohe Aktualität besitzt, ebenso wie auch die Abschlußkundgebung unserer damaligen 1.Mai Demonstration 1972, auf der dieser Aufruf von seinem Verfasser, dem Genossen Hartmut Dicke (Klaus Sender) damals verlesen wurde. Diese Abschlußkundgebung wurde anschließend von der Westberliner Polizei brutal überfallen, wobei sie allerdings auf beträchtliche Gegenwehr stießen. Dieser Überfall gab den Auftakt für eine mehrjährige Drangsalierung und Verfolgung von Mitgliedern unserer Organisation, welche damals von nahezu der gesamten übrigen Linken, angefangen von den offenen Revisionisten bis zu den Pseudomarxisten unter den Teppich gekehrt wurde. Nun denn, die Gründe für die Verfolgung holen sie heute ein. Und nebenbei: dieser damalige Überfall auf unsere Demonstration vom 1.Mai 1972 wird bis zum heutigen Tag in offiziellen Staatsdokumenten von Geheimdienst und anderen, entweder vollkommen ausgelassen oder auch einfach an einen ganz anderen Ort verfrachtet und anderen organisatorischen Kräften untergeschoben.


 

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