Internet Statement 2008-51


Aus der Presse Großbritanniens:

Die Wirtschaftskrise am Werk

Walter Grobe 15.12.2008     

Wenig berichtet wird in unseren Medien derzeit über die Entwicklung der Krise in Großbritannien. Das mag seine Gründe haben, denn dort zeigt sich in manchem schon deutlicher, als so mancher es sich hierzulande bis jetzt eingestehen mag, wie der wirtschaftliche und soziale Verfall der kapitalistischen Gesellschaft um sich greift.

Aus einigen Zeitungsmeldungen des „Guardian“ und der „Times“ der letzten Tage kann man u.a. Folgendes entnehmen:

- Handelsketten und Supermärkte befürchten, daß die Regale bald nicht mehr recht gefüllt werden können, wenn ihre Lieferanten für bestimmte Waren zu Hunderten zusammenbrechen. Ketten wie Tesco sollen an „Notfallplänen“ arbeiten, um die Ausfälle von Lieferanten zu kompensieren. Betroffen sind nicht nur Waren wie CDs, sondern auch Lebensmittel.

Viele Einzelhandelsgeschäfte in den Einkaufszonen könnten in den nächsten Wochen unter Konkursverwaltung gestellt werden, heißt es. Die Vermieter der Ladenlokale versuchten über die Gerichtsvollzieher, dem zuvorzukommen und über die Weihnachtsfeiertage die Zahlung der Mieten noch rasch durchzusetzen, bevor sie durch das Konkursrecht an eine schlechte Position der Gläubigerschlange verwiesen würden. Die Gerichtsvollzieher, heißt es, bereiteten sich auf das arbeitsreichste Weihnachten vor, das sie je erlebt hätten.

- Der Verlust an Arbeitsplätzen hat inzwischen sämtliche Branchen ergriffen, und er steht erst am Anfang, gleich ob es sich um Einzelhandel, Callcenter, Banken oder Industrie handelt. Alle internationalen Autokonzerne, die noch in Großbritannien Fabriken betreiben – die gesamte Branche einschließlich Zulieferer und Handel umfaßt noch etwa 850.000 Beschäftigte, wie es heißt  – planen Betriebsstillstände und dergleichen, ähnlich wie in Deutschland. Die britische Tochterfirma von GM, Vauxhall, hat bereits den 2200 Beschäftigten des Werks in Ellesmore Port „angeboten“, für acht Monate in „Urlaub“, in ein „Sabbatjahr“ zu gehen – bei 30 (in Worten: dreißig) Prozent des Lohns.

- Die Einkommen der Rentner sind schwer unter Druck. Es wird der Fall des letzten staatseigenen Konzerns Großbritanniens, der Royal Mail, beleuchtet. Dieser Konzern unterhält einen Pensionsfonds mit dem die Renten seiner ausgeschiedenen Beschäftigten finanziert werden sollen. Innerhalb von weniger als zwei Jahren, seit 2006, hat sich das Defizit dieses Pensionsfonds von 3,4 Milliarden Pfund auf 7 Mrd. Pfund erhöht, weil seine sog. assets, d.h. seine spekulativen Papiere, durch die Finanzkrise bereits erheblich entwerten wurden.

Über die Entwicklung der von Privatkapital „garantierten“ Renten weltweit informiert eine Studie der OECD. Sie hat 28 der reichsten Volkswirtschaften der Welt untersucht und festgestellt, daß der Finanzcrash seit Anfang 2008 bereits 5 Billionen $ aus den Guthaben der Pensionsfonds hat verschwinden lassen, die zumeist als die Hauptquelle der Renten in diesen Ländern konzipiert sind. Dementsprechend fallen die Zahlungsansprüche der Rentner an diese privaten „Versicherer“. In Irland, dem bisherigen Spitzenreiter der Verluste lt. OECD, haben die Rentner seit Anfang 2008 bereits mehr als 30% ihrer Ansprüche eingebüßt, in Großbritannien sind es bereits mehr als 15%.

- Ein interessantes Detail stellt der rasche Verfall des Außenwerts des britischen Pfund dar. Am vergangenen Wochenende wurde gemeldet, daß es erstmals weniger wert war als der Euro, während traditionell sein Wert immer weit über dem des Euro gelegen hatte. Kommentatoren und Politiker stellen die Frage, ob der Verfall der Währung - der sicher weitere Erschütterungen nach sich ziehen wird – etwas zu tun hat mit der rabiaten zusätzlichen Staatsverschuldung, die die britische Regierung seit Ausbruch der Krise betreibt.

 

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