Internet Statement 2007-95

 

Ein echtes Angebot sieht anders aus, Herr Mehdorn!
                           
                                           - Die Frage der Tarifeinheit bei der Bahn

Uwe Müller  25.11.2007      

Bei all den widersprüchlichen Meldungen, die die letzten Tage im Vorfeld der morgigen Entscheidung der GDL-Führungsgremien über eine mögliche Aufnahme von Verhandlungen kursieren, ist es schwierig, ein genaues Bild zu bekommen. Manche Dinge aber sind offenkundig und durchaus wert, näher beleuchtet zu werden.

Die zwischen GDL und DB vereinbarte Geheimhaltung der Gesprächsergebnisse hat Spekulationen aller Art Tür und Tor geöffnet und für allerhand Unsicherheit in der interessierten Öffentlichkeit und teils auch unter den Lokführern selbst gesorgt. Und wie das so ist, hat Mehdorn sich um die Geheimhaltung natürlich keinen Pfifferling geschert, als er meinte, jetzt sei es für ihn wohl günstig, medienwirksam den Druck auf die GDL zu erhöhen.


Erneute Attacken gegen eigenständigen Tarifvertrag der GDL

So hat er gestern öffentlich verkündet, daß es für die GDL keinen eigenständigen Tarifvertrag geben werde. Vorab war schon durchgesickert, daß die DB bei den Gesprächen Lohnerhöhungen von höchstens 8 bis 13% angeboten habe.

Sind die GDL-Verhandlungsführer bei ihrer Lohnforderung von 31% im Verlaufe der Auseinandersetzung schon auf einen Zielkorridor von 10 bis 15% zurückgegangen, so haben sie bislang an ihrer zentralen Forderung nach einem eigenständigen Tarifvertrag (in dem nicht nur die Löhne, sondern auch die Arbeitszeiten geregelt werden sollen) stetig festgehalten. Und die GDL tut gut daran. Denn nur ein solcher eigenständiger Tarifvertrag garantiert ihr auch wirkliche Ergebnisse unabhängig von Transnet und GDBA. Und nur ein solcher ermöglicht ihr auch künftig, selbständig für Verbesserungen verhandeln und vor allem auch streiken zu können.

Die GDL war jahrelang in Tarifeinheit mit Transnet und GDBA – sehr zu ungunsten der Löhne und Arbeitsbedingungen der Lokführer und des fahrenden Personals. Seit 1994 mußten diese 9,4% Lohneinbußen hinnehmen. Ihr Ausscheren daraus geschah ja schließlich nicht zufällig, wie auch ihr bislang beherzter Kampf um deutliche Verbesserungen nicht zufällig solch breite Unterstützung in der Bevölkerung gefunden hat und noch immer hat.

Doch nicht nur Mehdorn und Co., sondern vor allem auch Transnet-Chef Hansen bekämpft den eigenständigen Kampf der GDL um höhere Löhne und vor allem um einen eigenen Tarifvertrag der GDL von Anfang an. Heute hat Hansen noch einmal den Druck auf Mehdorn verschärft, doch speziell in Frage des eigenständigen Tarifvertrages unter allen Umständen hart zu bleiben:

"Es soll niemand glauben, dass wir tatenlos bleiben - wir haben auch Drohpotenzial: Die Transnet könnte eine Föderation von sieben bis acht Einzelorganisationen werden, die alle eigene Tarifverträge haben"   (FTD - online 25.11.07)

Die Botschaft ist so klar, wie sie perfide und verlogen ist: „Herr Mehdorn, bleiben Sie unnachgiebig“, sonst kommen Sie in Teufels Küche. Das unterstützt das heuchlerische Gerede von Mehdorn von „gleichem Lohn für gleiche Arbeit“ und ist bewußt voll gegen die GDL und gegen die für berechtigte Verbesserungen kämpfenden Lokführer gerichtet.

In die gleiche Kerbe haute heute auch der Präsident des Deutschen Beamtenbundes (DBB) Heesen. Er hat der GDL, die dem DBB angehört, zwar weiterhin Unterstützung zugesagt, die Tarifeinheit müsse aber auf jeden Fall bestehen bleiben. Und Heesen geht sogar noch weiter, und greift eine alte Idee von Mehdorn und Hansen wieder neu auf, die Lokführer doch kurzerhand in eine „Beschäftigungsgesellschaft Lokführer“ auszugliedern. Aber selbst dann, so verlangt er, müsse der Tarifvertrag „sich nahtlos in das Gesamtunternehmen einfügen“. (tagesspiegel 25.11.) Was soll dann aber das Ganze? Warum ein solcher Eiertanz? Daß der eigene Dachverband dem Mitglied GDL in so einer wichtigen Phase bezüglich ihrer zentralen Forderung so in den Rücken fällt, ist allerhand.


Die Frage der Tarifeinheit bei der Bahn

Eine in diesem Falle gut begründete und naheliegende Forderung und das gute Recht der GDL, ein eigener Tarifvertrag, wird von Bahn AG und verschiedensten Seiten als etwas völlig Unmögliches und Zerstörerisches betrachtet und kompromißlos abgelehnt. Die vielbeschworene Tarifeinheit bei der Bahn dürfe auf keinen Fall zerstört werden. Die Tarifeinheit wird als heilige Kuh betrachtet. Sie zu gefährden sei Sprengsatz für die Bahn AG, sei Gefährdung der „Sozialgemeinschaft“ usw.usf.. Und überhaupt sei ein eigener Tarifvertrag mit besseren Bedingungen gegenüber den Transnet-Kollegen eine schreiende Ungerechtigkeit.

Bezüglich der Bahn AG und Mehdorns ist diese Haltung nicht verwunderlich. Die Bahn AG ist damit die Jahrzehnte über sehr gut gefahren. So gut wie keine ernsthaften Streiks, Lohnkürzungen und Arbeitszeitverlängerungen konnten in diesem Rahmen relativ reibungslos durchgesetzt werden, alles blieb immer schön unter Kontrolle. Und jetzt kommt die kleine GDL daher, und will das durchbrechen. Aus Sicht der Bahn AG darf das nicht sein, um keinen Preis.

Die andere bestimmende Seite dieser so heiligen Tarifeinheit bei der Bahn, die Transnet, bläst ins gleiche Horn. Auch sie singt das hohe Lied der Tarifeinheit und springt der Bahn AG zur Seite und agiert dabei wie ihr hofeigener Kettenhund. Das ist schon weniger verständlich, und gibt so manchem ein Rätsel auf. Gibt die Transnet doch vor, die Interessen ihrer Mitglieder und der Bahnbeschäftigten als Ganzes zu vertreten. Einheitstarife aber mit Folge von Lohnkürzungen und Arbeitszeitverlängerungen für große Teile der Belegschaft liegen wohl kaum in deren Interesse. Was haben die Kollegen von der „Sozialeinheit“ und „Tarifeinheit“, wenn der Streß immer größer, die Arbeitsbedingungen immer schlechter und der Lohn immer kleiner wird, während die Vorstände und Manager der Bahn AG sich selbst immer höhere und unverschämtere Gehälter in die Tasche stecken und dabei jedes Maß verloren haben? Es ist kein Zufall, daß auch etliche Transnet-Kollegen mit dem Streik ihrer GDL-Kollegen sympathisieren und ihn sogar unterstützen und manche auch zur GDL abwandern.

Was sind aber die Gründe für Transnet Chef Hansen und andere Gewerkschaftsführer, so vehement der Bahn AG gegen die GDL beizustehen? Können Konkurrenzgründe das alleine erklären? Ich glaube kaum, und es wird sich lohnen, dieser Frage im weiteren nachzugehen.

Interessant ist dabei auch, daß der Großteil der politischen Parteien, insbesondere auch die SPD und Teile der „Linken“, in dieser Frage der Tarifeinheit bei der Bahn genau die gleiche Haltung einnimmt und offen und versteckt die GDL deswegen attackiert.

Um Mißverständnissen vorzubeugen, ich rede hier nicht uneingeschränkt der Auflösung jeglicher Tarifeinheit oder jeglichen Tarifverbunds das Wort, keineswegs. Das hängt von Fall zu Fall von den Bedingungen ab. Eine Tarifeinheit aber, wie sie hier von der Bahn AG und Transnet beschworen und praktiziert wird, zugunsten der Bahn AG und zuungunsten weiter Teile der Bahnbeschäftigten, die ist es nicht wert, daß sie erhalten wird. Im Gegenteil. Sie ist es wert, daß sie im Interesse der Belegschaft aufgebrochen wird.

Die GDL und die Lokführer tun gut daran, von ihren Forderungen nach echten Lohnerhöhungen in zweistelliger Höhe und auch nach einem eigenen Tarifvertrag nicht abzugehen und zur Durchsetzung den Streik wieder aufzunehmen.

 

 

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Das Lehrstück bei der Bahn
– Die Rolle der GDL

Hartmut Dicke, 20.10.07

mehr zum Streik der GDL

 

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