Internet Statement 2007-32

 

Die Telekom-Beschäftigten müssen unterstützt werden!

Hartmut Dicke, Uwe Müller, 17.4.07    

Die deutsche Telekom will 50.000 Beschäftigte, ein Drittel der Belegschaft, „ausgliedern“, d.h. in neu gegründeten Firmen anstellen, in denen dann erheblich weniger Gehalt bezahlt werden wird und die Konditionen um ein Vielfaches schlechter sein werden. Man argumentiert, daß die Einkommen dieser Beschäftigten der Telekom zu hoch seien und nun nach unten angepaßt werden müßten. 2 Millionen Kunden sind der Telekom auch im Jahre 2006 weggelaufen. Selbst das Ziel, den Weggang auf 1 Million zu reduzieren, konnte nicht erreicht werden.

Wer die Geschehnisse bei der deutschen Telekom verfolgt hat, den wundert diese Entwicklung nicht. Chaotische Organisierung durch das Management und rüde Methoden gegenüber den Kunden sind von niemand anderem als der Geschäftsführung dieses großen Konzerns in die Wege geleitet worden. Man kann sogar sagen, daß die Kollegen in den Call Centern sich Mühe gegeben haben, bei all dem Chaos die Sache einigermaßen in den Griff zu bekommen.

Es heißt, daß die Beschäftigten der deutschen Telekom bis zu doppelt so viel verdienen wie die Beschäftigten der Konkurrenzfirmen. Deshalb solle nun eine Anpassung nach unten erfolgen. Richtig ist, daß die Einkommen bei der Konkurrenz so niedrig sind, daß sie die Ernährung einer Familie nicht ermöglichen. Sie sind nach hiesigen Maßstäben zwar nicht buchstäblich Hungerlöhne, aber es sind Löhne, mit denen man unter den Bedingungen der hiesigen Gesellschaft nicht existieren kann. Und eine Absenkung der Löhne bei der Telekom wird zur weiteren Absenkung auch bei anderen Firmen führen.
Der Widerstand gegen diesen nur leicht verbrämten Rausschmiß ist richtig. Er wird allerdings zu kombinieren sein zugleich mit Forderungen, daß mit Nicht-Existenzlöhnen, die bei der Konkurrenz existieren, Schluß gemacht wird. Es muß insgesamt gegen dieses Unwesen vorgegangen werden. Es stellt sich um so mehr auch die Aufgabe, daß die faktisch gewerkschaftslosen Bedingungen etwa in Ungarn, Tschechien etc. mit angegriffen werden, denn auf die Dauer wird man sich niemals durchsetzen können, wenn im Umfeld die niedrigsten Löhne durchgesetzt werden können.


Eine ungeheure Heuchelei hat sich hier breit gemacht. Es ist doch die Frage, ob der Umstand, daß die Telekom um einige Euro manchmal teurer ist als die Konkurrenz, ausschlaggebend für das Weglaufen der Kunden sein kann? Sind nicht vielmehr die rüden und arroganten Methoden gegenüber den Kunden, die von oben vorgegeben worden sind, vielleicht der ausschlaggebende Faktor? Das Chaos mit dieser Firma ist unbeschreiblich.

Hier ein Beispiel aus der Praxis, das ich (H.D.) selbst erlebt habe:

Im August 2004 erreichte mich auf einmal ein Anruf eines vermeintlichen Vertreters der Telekom, der sich nach der korrekten Funktionsweise meines Anschlusses erkundigen wollte. In dem folgenden Gespräch gab ich keinerlei Auftrag zu einer Änderung meines Telekomtarifes und bestellte auch nichts. Einige Zeit später mußte ich an meiner Telefonrechnung feststellen, daß zu einem veränderten Tarif abgerechnet wurde, und daß mir durch die Telekom aus eigener Machtvollkommenheit eine T-Net-Box vorgeschaltet worden war, die die Gespräche der mich anrufenden Teilnehmer bei der Telekom aufzeichnete, obwohl ich dazu niemals eine Genehmigung erteilt hatte. Außerdem war ich, ohne je eine Bestellung aufgegeben zu haben, Kunde der T-online geworden. Offenbar hatte mich diese Firma eigenmächtig zu ihrem Kunden erklärt und sie verlangten Geld für ihre angeblichen Dienste. Ich beschwerte mich bei der Telekom-Hotline und bekam dabei die Auskunft: Sie haben darüber wahrscheinlich auch ein Telefongespräch geführt. Dazu meinte ich, Telefonate führe ich ein Dutzend am Tag, das kann ja wohl nicht alleine ausreichend sein.
Hierbei erfuhr ich, daß lediglich mittels eines Telefongesprächs, das über Tarife geführt wurde - obwohl ich als Kunde ausdrücklich gesagt hatte, ich will nichts bestellen und auch keinen anderen Internet-Provider bekommen - eben eine solche scheinbare vertragliche Grundlage fixiert wurde.

Dankenswerterweise gaben mir im weiteren die Vertreter der Telekom den Hinweis, die Sache möglichst beizulegen. Man empfahl mir, nicht auf jeden Cent zu bestehen, da mir sonst ein Verfahren drohen würde. Die Sache wurde dann auch nach mehreren Bemühungen und Drängen zurückgenommen. Ich hatte ja nichts bestellt und hatte auch nichts in Anspruch genommen, also kann mich auch keine Justiz der Welt zu einer Zahlung von Gebühren verpflichten. Der Hinweis der Telekom-Mitarbeiter jedoch wurde vollkommen zu Recht gegeben. Denn später habe ich erfahren, daß tatsächlich Leute, die sich auf die Justiz und auf den Fakt, daß sie nie etwas bestellt hatten, verlassen wollten, nicht durchgekommen sind. D.h. daß solche Methoden einer regelrechten Gaunerei seitens der Telekom von der Justiz noch abgesegnet worden sind.
Es sind diese Versippungen von Management und staatlichen Organen in diesem Lande, die geglaubt haben, je mehr Gaunereien man praktiziere, desto mehr würde das das Unternehmen zum Erfolg führen, die am Schluß jetzt mit einer Bauchlandung da stehen, über die niemand sich zu wundern braucht. Der kleine Fall, den man selbst erlebt hatte, war ein Fall, der in Wirklichkeit wohl Hunderttausende betraf.

Mit bodenloser Dreistigkeit wurde mir noch eine weitere Forderung gestellt. Wenn ich nicht noch ca. 14 € nachbezahle, dann würde mir ein Verfahren ins Haus stehen, oder gar noch obendrein ein Eintrag bei der Schufa als Nichtzahler gemacht, mit den daraus entstehenden Konsequenzen. Es stellte sich im weiteren dann aber heraus, daß dieser kleine Betrag eine Fehlüberweisung war, die die Telekom an mich veranlaßt hatte, die sie nun auf diese Weise zurückforderte.

Solcherlei Geschichten und Erfahrungen mit der Telekom gibt es zu Zehntausenden. Die abenteuerlichen Machenschaften, die von seiten der Geschäftsführung der deutschen Telekom als kluge Geschäftstaktik angesehen wurden, und hinter denen der dümmste und dreisteste, vom Staat gestützte Verladung der Kunden steckte, haben sich herum gesprochen. Ist es von daher ein Wunder, daß nach derartigen Erfahrungen und Fehlrechnungen viele Kunden die Nase voll haben und sagen: ich gehe zu einem anderen Anbieter? Die Frage braucht man gar nicht mehr näher zu behandeln.

Die Beschäftigten der deutschen Telekom sind nicht die Urheber solcher vergaunerten Maßnahmen, sie müssen entschieden unterstützt werden.

Die Frage Telekom ist zudem auch von landesweiter Bedeutung. Bestimmte Finanzkonzerne wie Blackstone oder die russische Sistema, bei der übrigens der ehemalige Telekom-Chef Ron Sommer nun angestellt ist, haben die Absicht, die Telekom zu übernehmen. Wenn die deutsche Telekom abstürzt, und dafür stehen die Chancen nicht schlecht, könnte durchaus die Möglichkeit bestehen, etwa durch Abkaufen der Aktien vieler enttäuschter Anleger zu Mehrheiten zu kommen.

Bis jetzt noch jedenfalls ist die deutsche Telekom das Grundstandbein der telefonischen Verbindungen in diesem Land. Die meisten Leitungen, insbesondere die sog. „Letzte Meile“ zum Endverbraucher hin, werden noch von der deutschen Telekom beherrscht. Ein ausländisches Unternehmen, das ein solches Unternehmen in seine Hand bekommt, würde auch Eigentümer dieses strategischen Pfostens innerhalb der Ökonomie dieses Landes werden. Zwar gibt es inzwischen konkurrierende Systeme wie die verlegten Glasfaseranschlüsse der Kabelfernsehenbetreiber, die auch telefonische Verbindungen ermöglichen, Internet-Telefonie, Wireless-Anbindungen oder neue Verbindungsnetze der Konkurrenzanbieter, die bis zu einem gewissen Grade von den klassischen Kupferleitungen und Vermittlungsstellen der deutschen Telekom unabhängig sind. Dennoch wird das klassische Verbindungs- und Verteilungsnetz der deutschen Telekom noch für Jahre einen grundlegenden strategischen Bestandteil des gesamten Kommunikationssystems des Landes bilden. Und wenn diese nun in die Hände einer Firma Blackstone oder der russischen Sistema kommt, dann kann doch niemand erzählen, das sei von keiner Bedeutung für dieses Land. Deswegen steht in dieser Auseinandersetzung sehr viel an.

Es ist um so wichtiger, daß der deutschen Telekom und ihren Praktiken genau auf die Finger gesehen wird und der Rausschmiß bei den korrupten Teilen des Managements angesetzt wird. Der ganze Kapitalismus gerät hier ins Absurde. Es ist überhaupt unsinnig, daß man ständig hinterher rennen muß, um den absolut billigsten Tarif zu bekommen. Sicherlich hat die Konkurrenz einiges dahingehend bewirkt, den früheren völlig bürokratisierten und nach hinten gerichteten Koloß zu überwinden und Alternativen zu schaffen. Aber so wie die Dinge jetzt laufen, gerät das Ganze ins Chaos. Wenn am Schluß gar die deutsche Telekom völlig zerschlagen wird - und darüber wird schon offen gesprochen -, da wird sich schon die Frage stellen, was das für ein Land ist, das noch nicht mal mehr über ein eigenes grundlegendes Telefonsystem verfügt.

Es sollte erwogen werden, ob nicht zumindest die Netze vollständig verstaatlicht werden, wobei hier natürlich darauf geachtet werden muß, daß sich ein solcher Bürokratismus wie beim früheren Fernmeldewesen nicht wiederholen darf. Aber da gibt es ja Möglichkeiten, dies zu verhindern. Die Frage jedenfalls, wem die grundlegenden Kommunikations-Netze zum Schluß gehören sollen, sollte von dem ganzen Land diskutiert werden. Das ist keineswegs nur die Angelegenheit eines bestimmten Managements oder völlig abgehobener Politiker oder Justizleuten, die mit diesem versumpften Apparat unter einer Decke stecken.


 

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