Internet Statement 2004-60

 

Einzelheiten zu den Demonstrationen am Wochenende

Am Samstag, 2. Oktober, fand erneut eine große Demonstration gegen die Agenda 2010 und die Hartz-Gesetzgebung statt, die die Ablehnung in immer breiteren Bevölkerungsteilen zum Ausdruck bringt. Die öffentliche Berichterstattung versucht, diese Bewegung nicht nur kleinzureden, sondern ihr jeden Mut zu nehmen, insbesondere die Teilnehmerzahlen auf einigen Montagsdemonstrationen zu benutzen, um den Widerstand auszureden. Da erst in den nächsten Monaten das volle Ausmaß der Hartz-Gesetzgebung weiteren Teilen der Bevölkerung verdeutlicht werden wird, kommt es umso mehr darauf an, daß sich der Widerstand nicht ersticken läßt, sondern weitergeht.

Die Demonstration vom 2.10. fand statt trotz der Auseinandersetzungen um die Berliner Montagsdemonstration, sie war das Ergebnis der Bemühungen zahlreicher Gruppen, die die örtlichen Montagsdemonstrationen und Anti-Hartz-Aktivitäten im Lande tragen. Es gibt allerdings bei Attac Leute, die diese Bewegung mit der Regierung und den anderen Parlamentsparteien versöhnen möchten, und es gibt in der PDS maßgebliche Vertreter, die das Ende dieser Demonstrationsbewegung herbeireden wollen, aber es gibt natürlich auch in diesen Organisationen noch immer beträchtliche Bestandteile, die den Protest mit tragen. Die Demonstration am 2.10. war eine durchaus von zahlreichen Beschäftigten und Arbeitslosen getragene Massendemonstration. Auffällig war, daß sich zu Anfang auf dem Alexanderplatz nur eine viel kleinere Zahl von Demonstranten versammelt hatte, und im Laufe des anfänglichen Demonstrationszuges dieser noch zu der sehr beträchtlichen Größe von 50.000 oder mehr angeschwollen ist. Am Schluß blieben auch wiederum zahlreiche Demonstrationsteilnehmer nicht auf der Abschlußkundgebung, sondern rollten ihre Transparente ein und gingen weiter. Es wird daran deutlich, daß unbedingt mehr grundsätzliche Diskussion stattfinden muß, wie weiter vorzugehen ist.

Mit der Demonstration am 6. 11. in Nürnberg ist ein weiteres interessantes Demonstrationsziel gesetzt, einige Gruppen wollen auch die Montagsdemonstrationen weiterführen.

Es bleibt von Wichtigkeit, daß die Demonstrationen selbst nicht die Strategie in der Auseinandersetzung mit der Hartz-Gesetzgebung ersetzen können. In der Tat kann die reine Fortführung der Demonstrationen alleine noch keine wesentliche Änderung der Politik und der Lage im Lande erzeugen. Wenn bestimmte Kräfte behaupten, wir demonstrieren so lange, bis die Hartz-Gesetzgebung verschwindet, dann sind sie naiv, weil Demonstrationen alleine sie nicht zum Scheitern bringen werden und auch zu keiner Änderung der Politik der sozialen Entrechtung führen. Dazu ist viel mehr notwendig, dazu brauchen wir letztlich ein Wiederaufleben des sozialen Kampfes der arbeitenden Klasse, der sich mit den anderen Kämpfen, in Osteuropa beispielsweise und nach Möglichkeit darüberhinaus verbindet. Ohne daß materielle Gegenkräfte geschaffen werden, kann man diese Art von Kräften, die den Sozialraub mit der ganzen Radikalität des Kapitals betreiben, nicht bekämpfen. Und dazu ist auch etwas qualitativ anderes notwendig.

Am 3.10. fand die zweite, vor allem unter der Leitung der MLPD und der ihr verbundenen Kräfte organisierte Demonstration in Berlin statt. Die vier Teilmärsche des Sternmarsches waren relativ gering besetzt, am Schluß aber schwoll auch diese Demonstration noch an. Ca. 6- 8.000 Teilnehmer hat diese Demonstration gehabt, vielleicht waren es 10.000, immerhin auch eine stattliche Größe. Wenn aber die MLPD jetzt öffentlich behauptet, es seien 25.000 gewesen, dann bringt sie das, um darüberhinwegzudecken, daß sie nur einen deutlich kleineren Teil der Demonstranten angesprochen hat, und daß die Demonstration, die sie als "Spalterdemonstration" ursprünglich bezeichnete, immer noch die große Masse auf sich vereinigt hat. Die Vorgehensweisen der MLPD haben viele Leute abgestoßen, wenn auch ihre Kritik an bestimmten Vorgehensweisen etwa von führenden Vertretern von Attac oder PDS durchaus auch Zustimmung findet.
Die Demonstration am Sonntag, 3.10., wurde insbesondere auch von zahlreichen Gruppen aus der sogenannten linken Szene gestützt. So waren "Roter-Morgen"-Nachfolgerorganisationen auf der Demonstration vertreten, die TKP/ML, die ATIF, verschiedene ausländische Organisationen aus diesem Spektrum und noch einige andere. In dem Kreuzberger Zug wurde Berichten zufolge sogar ein Transparent "Nie wieder Deutschland!" getragen. Hier sei beiläufig eine Bemerkung gestattet. Was ist in diesem Land eigentlich möglich? Kräfte, die, wie in Berlin schon lange bekannt, in einer auffälligen Verbindung mit Vertretern aus den USA stehen, tragen derartige Losungen, gemeinschaftlich mit bestimmten türkischen Gruppen. Wir halten es für notwendig, an anderem Orte noch einmal auf den Charakter dieser immer wiederkehrenden Provokation einzugehen.
Es sei noch angemerkt, welch ein merkwürdigen Kontrast sich hier auftut. Auf der einen Seite "Wir sind das Volk" - eine Losung, die seitens einer Minderheit der Demonstranten eine Abwegigkeit ist, und zum anderen eine Losung wie "Nie wieder Deutschland!". Einmal eine unkritische, nach rechts sich anlehnende Losung, und auf der anderen Seite eine pro-amerikanische und letztlich ultrarechte und faschistische Provokation.


Man muß also festhalten daß die Demonstration am Samstag einen weitaus größeren Teil der Sozialbewegung, der "Montagsdemonstrationsbewegung" versammelte, und die zweite Demonstration viel stärker von einem speziellen Sektor geprägt war. Für die politische Ausprägung bei den Reden galt: Auch wenn es nur einen einzigen offiziellen Vertreter der MLPD gab, so kann man sagen, daß bei den Rednern Diktion und Inhalt immer wieder an die MLPD erinnerten.

Red. NE
- Zusammenfassung von Berichten
5.10.04


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