Internet Statement 2004-29

 

 Wie weiter gehen?


21.Mai 2004                   

Es wird gegenwärtig diskutiert, wie man mit dem sozialen Widerstand weitermachen soll. An einigen Punkten versucht man, Aktionen wie bisher einfach fortzusetzen, an anderen steht die neue Parteigründung im Mittelpunkt, aber bereits bei der Frage, welches Programm das „Wahlbündnis“ oder die Partei haben soll, beginnt die prinzipielle Schwierigkeit.

Die erste Phase des Kampfes gegen die soziale Entrechtung geht ihrem Ende zu. Für uns kommt es jetzt um so mehr darauf an, sich den eigentlichen Aufgaben, die sich aus der Erpressung der Arbeiterklasse, aus den Produktionsverlagerungen und der Verschiebung der internationalen Produktion ergeben, zu widmen.

Bereits im Jahre 2002, als sich abzeichnete, daß die gegenwärtige finanzielle und ökonomische Krise keineswegs nur vorübergehender Natur ist, und die im Bundestag vertretenen Parteien fast einhellig einschneidende Maßnahmen gegenüber der gesamten arbeitenden und freigesetzten Bevölkerung forderten, wurde klar, daß alle prinzipiellen und ökonomischen Probleme der Bundesrepublik und ihres politischen Rahmens nun auf die Agenda gehören. Ohne sie kann man die Fragen der sog. Reformen gar nicht behandeln.

Wir haben uns im November 2002 entschieden, gegenüber der Bewegung, wie sie von den Sozialforen, aus Arbeitslosenkreisen, den späteren Anti-Hartz-Gruppen usw. gekommen ist, die Tür nicht zuzuschlagen, sondern erst einmal den Dialog zu suchen, obwohl sie von der Diskussion um prinzipielle Probleme nichts wissen wollten. Es gab eine breite Strömung, erst einmal den Protest zu artikulieren. Man kann nicht erwarten, daß sich umfassendes gesellschaftliches Wissen, das die Entwicklung der letzten 30 Jahre bewußt und intensiv einbezieht, auf der Stelle bildet. Und immerhin hat es auch gewisse Erfolge in Form von Demonstrationen und Aktionen gegeben.
Aber wenn wir jetzt den Weg des ausschließlichen Protestes gegen Sozialabbau, nur der Verneinung des sogenannten Abbaus des Sozialstaates weiter verfolgen, dann würde der soziale Widerstand sich an den Gegner selbst ausliefern. Schon die Demonstration vom 3. April hat gezeigt, daß die Regierung sich auch von großen Teilnehmerzahlen wenig beeindrucken läßt, wenn sie das Gefühl hat, daß bei dem politischen Gegenüber keine Konzeption, keine Hinterfragung des bestehenden Systems vorliegt. Sie besitzt durchaus die Ruhe, dann zu fragen, welche Konzeption denn dagegen vertreten wird, um dann wieder zur Tagesordnung überzugehen.

Es hat sich also bestätigt, daß eine Demonstration mit 500.000 Teilnehmern von sich aus keine entscheidende Änderung bewirkt. Die Frage der Produktionsverlagerung, der faktischen Abschaffung der eigenen Arbeiterklasse – um es etwas übertrieben und zugespitzt auszudrücken - muß in der ganzen aktuellen Schärfe aufgeworfen werden. Sie bewegt auch heute die Belegschaften im ganzen Land. Nicht nur, daß verlängerte Arbeitszeiten, schlechtere Bedingungen und manchmal radikale Lohnkürzungen durchgesetzt werden, es wird auch klar, daß hier mit der Existenzangst der Menschen in einer brutalen und skrupellosen Weise kalkuliert wird. Der Klassenkampf ist auch an der Oberfläche wieder da, und es nützt nichts, davor die Augen zu verschließen.

Wenn es also nach diesem Kapital geht, sollen am Schluß die Arbeiterklasse und überhaupt die Werktätigen im Lande auf Knien rutschen und das Kapital darum bitten, daß sie ihre Arbeit behalten – egal zu welchen Bedingungen. Das wird nicht sein!
Diese wahnwitzigen Pläne des Kapitals sind aus mehrerlei Gründen zum Scheitern verurteilt. Sie rudern selbst in eine Krise. Sie zerstören sich selber, indem sie Deindustrialisierung betreiben. Es gibt schon Fälle, wo diese „Wundertaten“ des Managements einer vollkommen einseitigen internationalen Ausrichtung der Produktion nach hinten losgehen. Da gibt es das Beispiel Koksproduktion in Deutschland: Koks ist ein wichtiger Grundstoff zur Stahlproduktion. Noch in den neunziger Jahren baute man in Dortmund eine hochmoderne Kokerei. Vor wenigen Jahren war man dann der Ansicht, man brauche diese auch nicht mehr und verkaufte sie an einen chinesischen Konzern, der die Kokerei, wie schon zuvor manches andere Werk, Teil für Teil nach China verfrachtete. Man mußte jetzt zusehen, wie eine hochmoderne Anlage, die man an China verkauft hatte, abgebaut wurde, während der eigenen Stahlproduktion jetzt der Koks fehlt.

Man kann sich solche Vorgänge auch noch in ganz anderem Umfang vorstellen. Es genügen einige Verwerfungen im internationalen Weltmarkt, in den internationalen Verbindungen, und schon wird man merken, was es bedeutet, die eigne Produktion abzuschaffen. Diese Fragen müssen unserer Ansicht nach von allen linken und revolutionären Organisationen aufgeworfen werden. Wir dürfen sie nicht bestimmten Kräften der Bourgeoisie überlassen, die daraus eine rechte Demagogie zimmern werden. In diesen Fragen muß von Allen, auch allen gewerkschaftlichen Kräften, die sich intensiv und vermehrt in dieser Frage engagieren, an einem Strang gezogen werden. Was sind überhaupt die Hintergründe dieser Verlagerungen? Mit dieser Frage befassen sich nur die wenigsten.

Dies steht auf einer langen geschichtlichen Basis. In den 50er und 60er Jahren versprach man den Arbeitern: ´Wir sitzen alle in einem Boot. Wenn ihr die eigene Produktionsbasis unterstützt, so kommt das am Schluß auch euch zugute´. Was dabei herausgekommen ist, kann man jetzt bewundern. In unserem Land haben wir heute ein Kapital, welches die Arbeiter als viel zu teuer schimpft und sie in ihrer Mehrheit herabdrücken will. Für dieses Kapital haben diese Arbeiter zu viel Potential an Widerstand, und es möchte sie als Klasse auch noch im letzten Rest zerbrechen.

Es war in der Vergangenheit bei allen Bewegungen so, daß zunächst einmal auch unbewußte, unbeholfene Strömungen in den Vordergrund traten, die nicht viel mehr machten, als eine Sache anzuzweifeln. Von dieser Erfahrung sind wir ausgegangen. Deswegen haben wir so gehandelt und versucht, so solidarisch wie möglich, auch auf diesem einfachen Niveau den Widerstand zu unterstützen. Jetzt kommt es auf mehr an. Schon spricht man davon, eine Partei zu gründen, weiß aber nicht, auf was für ein Programm man da setzen soll, oder will auf ein Programm gar verzichten. Wie soll man mit so einer Institution, mit so einer Partei einem zielstrebig agierenden Kapital entgegentreten können? Nein, wir brauchen mehr. Die Rückkehr zum Klassenkampf, und zwar zum internationalen, steht auf der Tagesordnung. Man kann darauf nicht verzichten. Man kann nicht auf die internationale Solidarität verzichten, die auch nicht nur aus irgendwelchen Resolutionen bestehen kann. Resolutionen sind von drittklassiger Bedeutung. Was wir brauchen, sind immer konkrete Maßnahmen, ist wirklicher Unterstützungskampf.

Deswegen werden wir uns nun weiter mit den Fragen, wie gegen die Erpressung zu agieren ist, beschäftigen und auch vermehrt in der Öffentlichkeit die Frage behandeln, wie es zu der jetzigen Situation gekommen ist. Wir brauchen durchaus eine Art Partei, aber es muß eine sein, die diesem neuen internationalen sozialen Kampf gerecht wird. Und es muß eine Partei und Organisierung sein, die die historischen Vorgänge der letzten Jahrzehnte in ihr Konzept einbezieht. Ohne Inhalte keinen Kampf! Die Überlegung, wie sie an verschiedenen Orten zum Ausdruck kam, man sollte auf inhaltliche Bestimmungen verzichten, weil man sich sonst zerspalte, geht absolut fehl. Man muß über Inhalte reden. Und wenn man sich nicht einigen kann, dann muß man inhaltliche Kompromisse schließen, die nicht jeden voll befriedigen, aber ohne dies geht es nicht.

Gruppe Neue Einheit

 

 

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Unsere Position zum Kampf gegen soziale Entrechtung (sog. Hartz-Politik)

Zur Grundlage des Berliner Sozialbündnisses (Vorschlag)   GNE 25.4.04


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Das Hartz - Konzept
ein massiver Angriff auf die Erwerbstätigen und Arbeitslosen

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