neue-einheit.com
Rubrik:   Vorschläge der Hartz-Kommission 

Internet Statement 2002-17

Die Vorschläge der Hartz-Kommission - Angriff auf
alle Arbeiter und Angestellte

- Die Eckpunkte, mit Kommentaren versehen -

Gegen Ende Juni 2002 erfuhr die breite Öffentlichkeit erstmals von der von der SPD/Grünen-Regierung eingesetzten Hartz-Kommission und deren Plänen. Peter Hartz, VW-Vorstand und IG-Metall-Mitglied, verspricht vollmundig die Reduzierung der Arbeitslosigkeit um 2 Millionen bis Ende 2005. Die konkreten Vorschläge seiner Kommission werden mit dem schönen und harmlosen Titel "Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" präsentiert.

Sieht man sich diese Vorschläge näher an, so fällt einem sofort ins Auge:

An einen wirklichen, ernsthaften Abbau der Arbeitslosigkeit ist gar nicht gedacht. In den ganzen Vorschlägen ist nicht ein Wort drin zur Wirtschaftskrise im Allgemeinen und zu der miserablen ökonomischen Lage Deutschlands als Schlusslicht der EU im Speziellen. Kein Wort auch zu den Produktionsverlagerungen und auch keines zur De-Industrialisierung. Kein Wort zu dem Fakt, dass hier immer weitere Industriearbeitsplätze wegfallen, dass fast täglich neue Massenentlassungen angekündigt werden, und die Zahl der Firmenpleiten wieder neue Rekordzahlen erreicht. Und natürlich auch kein Wort dazu, wie diese Probleme angegangen werden könnten, wie dieser Trend denn umgekehrt werden könnte. Kurzum: kein Wort zu den eigentlichen Ursachen der Arbeitslosigkeit!
Durch Beschleunigung der Arbeitsvermittlung, durch Kürzung der Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung, durch massive Ausweitung der Leiharbeit und auch durch alle anderen "tollen" Ideen wird kein einziger neuer Arbeitsplatz geschaffen. Ganz im Gegenteil, bestehende Arbeit wird durch Leiharbeit ersetzt werden. Lediglich auf dem Papier, in der Statistik sollen die Arbeitslosenzahlen reduziert werden.

Weiter fällt sofort auf, dass in den ganzen Vorschlägen immer nur von den Arbeitern und Arbeitslosen massive Abstriche gefordert werden, dass der Druck auf die Arbeitslosen, unterbezahlte Jobs anzunehmen, verschärft wird, dass sie in die Leiharbeit getrieben werden sollen etc. - während hingegen den Unternehmern nichts, aber auch gar nichts Substanzielles abverlangt wird, sondern obendrein noch Vorteile zugeschanzt werden wie vor allem die verstärkte und vereinfachte Ausnutzung von Leih- und Zeitarbeit!

In wenigen Worten zusammengefasst, kann man den Angriff der Hartz-Kommission wie folgt beschreiben:

Macht die Arbeitslosen massenhaft zu Leiharbeitern, zwingt sie in unterbezahlte Jobs, degradiert sie zu Sozialhilfeempfängern, schiebt sie in die Frührente und Armut ab und schickt die Frauen wieder zurück an den Herd! So wird der Druck auf die gesamte Arbeiterklasse massiv verschärft, werden die Löhne gesenkt und die Sozialleistungen noch zügiger als jetzt abgebaut. Und obendrein sinkt die hohe Arbeitslosenquote wie von selbst!

 

Wir wollen hier erst mal die Kernpunkte aus den Hartz-Vorschlägen (den sog. 13 Folien) dokumentieren und kommentieren:

 

Umwandlung der Arbeitsämter in Leih- und Zeitarbeitsfirmen / Die Arbeitslosen werden in diese Leih- und Zeitarbeitsfirmen genötigt


"5. PersonalServiceAgenturen (PSA) als Business-Unit / Neutralisierung des Kündigungsschutzes / Betriebsnahe Weiterbildung / Integration schwer Vermittelbarer

Detaillierung

· Herzstück des Abbaus der Arbeitslosigkeit ist eine neue Form der Zeitarbeitsgesellschaften, die Personal-Service-Agenturen (PSA) . Jedes Arbeitsamt wird künftig über eine eigene oder outgesourcte PSA verfügen.
· Über die PSA können Unternehmen neue Mitarbeiter suchen, kostenlos auf Probe oder gegen Entgelt Mitarbeiter leihen, Trainingsmaßnahmen veranlassen oder die eigene Personaladministration entlasten.
· Das Arbeitsamt bietet jedem Arbeitslosen, der dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht, die Möglichkeit einer Beschäftigung bei der PSA. Die Entscheidung über die Einstellung obliegt der PSA. Wenn der Arbeitslose nach 3-6 Monaten das Angebot nicht annimmt, erhält er nur noch das - reduzierte Arbeitslosengeld.
· Der Vermittler / Berater entscheidet über kostenlose Probezeiten. Eingliederungszuschüsse ect. können damit entfallen.
· Über die PSA's werden betriebsnahe Trainings- und Weiterbildungsmaßnahmen möglich.
· Gerade für schwer vermittelbare Arbeitslose (Langzeitarbeitslose, Behinderte) entstehen dadurch zusätzlich Chancen, wieder in das Arbeitsleben integriert zu werden bzw. bei Bewährung von einem Unternehmen übernommen zu werden.
· Faktisch führt die verstärkte Einschaltung von Zeitarbeitsfirmen und PSA's aus Sicht der Unternehmen zu einer Neutralisierung des Kündigungsschutzes, die Beschäftigten selber haben aber in den Zeitarbeitsfirmen und PSA's den vollen rechtlichen Kündigungsschutz.
· Die PSA ist eine eigenständige Business-Unit mit Vergütung auf Honorarbasis entsprechend den marktüblichen Bedingungen für Personalvermittler und Zeitarbeitsfirmen. Die Beschäftigung erfolgt zu Tarifbedingungen mit gesetzlichem Kündigungsschutz."
( Folie 5)

Dies das Herzstück der Hartz-Pläne: das Umwandeln der Arbeitslosen in Leih- bzw. Zeitarbeiter! Das Arbeitsamt wird selbst zur Leih- und Zeitarbeitsfirma gemacht! Die Unternehmer freuen sich: Können sie so jederzeit vom Arbeitsamt ganz unbürokratisch und billig, manchmal auch völlig umsonst, Arbeitskräfte bekommen! Womöglich gar die Gleichen, die von Ihnen selbst vorher auf die Straße geschmissen worden sind.

Findet ein Arbeitsloser innerhalb 3 bis 6 Monate nicht wieder eine Arbeit, so wird er bei Strafe der Kürzung des Arbeitslosengelds genötigt, in eine solche "Personal-Service-Agentur" einzutreten. Über die Lohnhöhe wird nichts konkretes gesagt, außer daß sie nach Tarif erfolgen soll. Nach welchem Tarif, wird nun aber nicht gesagt. Wie die Löhne bzw. Tariflöhne bei schon existierenden Leih- und Zeitarbeitsfirmen aussehen, ist hinreichlich bekannt: oft grade mal die Hälfte dessen, was man bei einer festen Anstellung mit der gleichen Arbeit verdienen würde!

Hier von einer Chance für die Arbeitslosen zu reden, ist der blanke Hohn. Die Unternehmen werden das weidlich in ihrem Sinne auszunutzen wissen, sie probieren so lange Leute von diesen PSAs aus, bis sie diejenigen, die Ihnen zusagen, dann evt. auch selbst einstellen - mit Sicherheit jedoch nicht zu den gleichen Konditionen wie das sog. "angestammte" Personal.

Die Arbeitslosen werden so zu regelrechten Arbeitssklaven des Arbeitsamtes und der Unternehmen gemacht! Auch der Druck auf die "angestammten" Arbeiter wird damit massiv erhöht.

 

Verschärfung der Zumutbarkeitsregeln


"- Die Zumutbarkeit muß nach geographischen, materiellen, funktionalen und sozialen Kriterien in Verbindung mit Freiwilligkeit und Pflichten neu formuliert werden. (§121 SGB III)
- Ein ganzheitlicher Finanz- und Familienstatus der Arbeitslosen muß erfasst werden.
- Um die Umsetzbarkeit der Zumutbarkeitskriterien zu gewährleisten, ist die Beweislast umzukehren, d.h. der Arbeitslose muss beweisen, dass eine Stelle, die er abgelehnt hat, nicht zumutbar ist.
- Die Zumutbarkeit muß auch in Abhängigkeit vom Familienstatus des Arbeitslosen durchgesetzt werden (jungen, alleinstehenden Arbeitslosen kann mehr zugemutet werden als Familienvätern)."
(aus Folie 2)

Muß "neu formuliert werden" heißt natürlich: muß verschärft werden. Provokant und gefährlich ist hierbei die Forderung nach Erfassung eines "ganzheitlichen Finanz- und Familienstatus der Arbeitslosen". Demnach soll jeder Arbeitslose vollständig seine Familien- und Vermögensverhältnisse gegenüber dem Arbeitsamt offen legen!! Man muß aber auch hierbei das Schlimmste befürchten.

 

Kürzung des Arbeitslosengeldes und der Bezugszeiten sowie die Umwandlung der Arbeitslosenhilfe in Sozialhilfe


"6 Monate Pauschalleistungen mit drei Tagessätzen ("Heimatklasse, Landesklasse, Bundesklasse"; kostenneutrale Festlegung), dann vom
6-12. Monat genau gerechnetes Arbeitslosengeld (analog heutiges ALG) dann vom
12-24. Monat reduziertes Arbeitslosengeld (ersetzt in Höhe heutige Arbeitslosenhilfe und ggf. Hilfe zum Lebensunterhalt durch eine Regelung auf Basis des Finanzstatus s.o.)
Nach 24 Monaten läuft das Arbeitslosengeld grundsätzlich aus, danach wird Sozialgeld gezahlt (entspricht der heutigen Sozialhilfe)" (Folie 7)


Wie hoch das pauschale Arbeitslosengeld sein soll, ist noch offen. Daß dies, wie behauptet wird, deshalb gemacht werden soll, um den bürokratischen Aufwand zu reduzieren, ist ein Scheinargument. Hier müßte nämlich überhaupt die Vereinfachung der ganzen Berechnungen aufs Tapet gesetzt werden! Die sind so kompliziert gestaltet, dass die Allermeisten diese Berechnungen gar nicht nachvollziehen, geschweige denn kontrollieren können! Dieser bürokratische Aufwand aber soll nicht angetastet werden.

Die Arbeitslosenhilfe soll ganz wegfallen und durch ein reduziertes Arbeitslosengeld ersetzt werden. Danach rutscht man ab in die Sozialhilfe!

Alle diese Kürzungen sind für sich genommen schon ein massiver Affront gegen alle Arbeiter und Angestellte. Jahrelang haben wir immer mehr in die Arbeitslosenversicherung einbezahlt, um dann im Falle der Arbeitslosigkeit nach immer kürzerer Zahlung von immer weniger Arbeitslosengeld schnurstracks in der Sozialhilfe zu landen. Das ist nicht nur skandalös, sondern glatter Betrug.

 

Die sog. "Ich-AG" und "Familien-AG"


"- Zielsetzung der 'Ich-AG' und 'Familien-AG' ist das Herausholen von heutigen Schwarzarbeitern in eine legale Beschäftigung, die Schaffung und Vergrößerung des in Deutschland unterentwickelten Marktes für Dienstleistungen und andere einfache Arbeiten, die Flexibilisierung der Beschäftigung in kleineren Unternehmen und Handwerksbetrieben sowie die Förderung der Selbstständigkeit.
...
- Attraktiv wird das Modell durch eine 10%-Pauschalbesteuerung auf alle Einnahmen...
...
- Zur Limitierung der Regelung dürfen die Gesamteinnahmen der 'Ich-AG' nicht über 15 ? Tsd. € und der 'Familien-AG' nicht über 20 Tsd. € pro Jahr liegen (darüber muss ein normales Gewerbe angemeldet werden).
- Zur Vermeidung von Missbrauch bei Unternehmen beträgt die Anzahl von Beschäftigten aus 'Ich-/Familien-AG' im Verhältnis zu normalen Beschäftigten höchstens 1:1 (evt. branchen-spezifische Verhältnisse). Für Beschäftigung in Privathaushalten gilt keine Begrenzung.
..."

Eine weitere Form der Scheinselbstständigkeit, eine weitere Form von Niedriglohnarbeit wird hiermit geschaffen. Auch hier die gleichen Auswirkungen wie bei der Ausweitung der Zeit- und Leiharbeit - mit dem Unterschied, daß hier der Verleiher und der Ausgeliehene ein und dieselbe Person sind - zumindest in der 'Ich-AG'.

 


Frauen zurück an den Herd


"Familienvätern und Alleinerziehenden wird eine besondere Priorität bei der Vermittlung eingeräumt." (aus Folie 1)

Und was ist mit den Familienmüttern?? Die werden hier nicht einmal erwähnt! Entgegen allen sonstigen Verlautbarungen der SPD zu diesem Thema, sollen die Frauen wieder zurück an den Herd geschickt werden. Der Familienvater gilt Hartz und Co. als der Ernährer der Familie, deshalb soll dieser bevorzugt werden.

 

Verdrängung der über 55-Jährigen aus dem Arbeitsmarkt


"Überprüfung der Möglichkeit, älteren Arbeitslosen (älter als 55 Jahre) auf eigenen Wunsch den Barwert ihres Anspruchs auf Arbeitslosengeld/Arbeitslosenhilfe auszuzahlen
- Überbrückung (bridging) der Zeit bis zur Frührente ab 60 Jahren.
- Damit Entfall der "Verfügbarkeit" für den Arbeitsmarkt, die in vielen Fällen von Frühverrentung de facto nicht gegeben ist.
- Mit der Option auf Erstattung des Barwertes fällt der Betroffene aus der Arbeitslosenstatistik heraus und unterliegt nicht mehr den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes oder der PersonalServiceAgentur
- Anpassung der Regelung an die demografische Entwicklung durch z.B. jährliche Erhöhung des Einstiegsalters um 1 Jahr." (Folie 11)


Das bedeutet nichts anderes als das Abschieben der über 55-Jährigen aufs Rentengleis.

 

Uwe Müller, 11.7.2002


Die Aufstellung wird noch weiter ergänzt werden.

Kritik, Hinweise und Ergänzungsvorschläge sind erwünscht.       mails an:  verlag@neue-einheit.com

 

www.neue-einheit.com