Internet Statement 2001-42

 

Das Ermächtigungsgesetz Schröders

Von der Kabinettsvorlage bis zur Beschlußfassung des Parlaments in einer einzigen Woche will Schröder sein Ermächtigungsgesetz durchbringen, das ihn instand setzen soll, für ein volles Jahr lang auf eigene Entscheidung hin in militärische Abenteuer in einer Region von Afrika bis Indien zu steigen - mit allen Konsequenzen, die das in anderen Bereichen, natürlich auch auf innenpolitischen, nach sich zieht. Hier kommt das zur Reife, was in den letzten elf Jahren seit 1990 in die Wege geleitet worden ist, ohne daß es mit der Bevölkerung diskutiert wurde: die Transformation der NATO zu einem Instrument, das international intervenieren kann und die Vorherrschaft der USA und Europas garantieren soll, mit den Europäern als den Subpartnern - wenigstens zur gegenwärtigen Zeit noch.

Die Öffentlichkeit wird mit derartigen Gesetzesvorhaben regelrecht überrumpelt, und bei allem und jedem wird hier natürlich mit "dem Terror" und seinen Gefahren argumentiert. "Kampf gegen den Terror" ist das Motto, mit dem man alles und jedes jetzt begründen kann, selbst wenn es noch so elementaren Anforderungen von selbst formalem internationalen Recht und Demokratie widerspricht. Die Frage, woher denn "der Terror" kommt, wird dabei geflissentlich umgangen. Man geht nicht darauf ein, daß bin Laden und seine Konsorten wie auch die Taliban auf das engste mit den USA liiert waren und aus einem politischem Umfeld stammen, das von USA-Machenschaften beherrscht ist. Ausgerechnet Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Pakistan waren die einzigen, die das Taliban Regime diplomatisch anerkannten. Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate sind beide zutiefst abhängig von den USA. Und Pakistan war durch seinen Geheimdienst in enger Zusammenarbeit mit dem CIA an der Errichtung der Taliban beteiligt. Aus den Reihen Pakistans selbst kam das Taliban-Regime, nämlich aus den Kreisen paschtunischer Islamschüler.
In der ganzen Welt sind nun zahlreiche Artikel und Enthüllungen gebracht worden, so im Internet, aber auch in Zeitungen, die die Aspekte dieser Zusammenhanges im Hintergrund beleuchten. Wenn also mit dem "Terror von bin Laden" argumentiert wird, so müßte man erst einmal dazu erklären: da haben die USA ein zu wesentlichen Teilen selbstgemachtes Problem. Aber davon ist nicht die Rede, sondern es wird versucht, aus der Sache mit dem "Terror" eine Art Hebel zu formen, mit dem europäische Staaten jetzt wirklich in den Krieg hineingezogen werden. Das hat etwas Gemachtes, Willkürliches und Herbeigezogenes, um dieser abenteuerlichen Politik irgendwie eine öffentliche Rechtfertigung zu verleihen.
Indem man sich auf "den Terror" und die Unvermeidlichkeit das Kampfes gegen ihn beruft, kann man keineswegs die wirkliche Bedeutung dieses imperialistischen Krieges, die sich bei der Entwicklung dieser offenen Kanonenbootpolitik im ganzen zurückliegenden Jahrzehnt schon ankündigte, hinwegwischen.
Schröder selber erklärte, daß man den USA für ihre Partnerschaft dankbar sein müsse und deswegen verpflichtet sei, und Friedrich Merz von der CDU ergänzte noch, daß jedes Ausscheren der Bundesrepublik aus dieser Rolle Illusion sei, sprich: wir haben gar keine eigenständige Außenpolitik, wir haben dem zu folgen, was die NATO vorgibt. Das ist in gewisser Weise eine zutreffende Feststellung, aber es ist auch der wirkliche Rahmen der "Demokratie", in der wir leben, die in Wirklichkeit von den größten Kapitalblöcken in der Welt diktiert wird und in der die Stimme der Bevölkerung und rationale Überlegungen überhaupt gar keine Rolle spielen.

Die wirklichen Absichten der USA

Die Absichten der USA gehen dahin, wenn sie sich in Afghanistan tatsächlich festsetzen sollten, von dort aus weitere Einflußnahmen in Richtung Südostasien und Südasien und evtl. gegen Rußland zu entwickeln. Aufgrund des jetzigen Vorgehens zeigt sich bereits die Gefahr, daß Pakistan und möglicherweise Indien in den Krieg gezogen werden, und der südasiatische Raum damit in kriegerische Verwicklungen kommt, mit unabsehbaren Konsequenzen, die allerdings auf die Urheber zurückschlagen würden. Asien und namentlich China haben sich schon seit der letzten ökonomischen Krise 1998 als Konkurrenten und Widersacher des alten amerikanischen und europäischen Kapitals erwiesen. Es ist nicht ausgeschlossen, daß die kriegerischen Absichten nach einiger Zeit in diese Richtung gehen. Ferner ist Rußland, marode und an der Entwicklung innerer Kräfte gehindert, ebenfalls ein Kandidat für einen weiteren Überfall für die Kräfte der NATO, die dann sowohl im Westen als auch an der südlichen Flanke des riesigen Territoriums Rußlands stehen und damit weitere Einwirkungsmöglichkeiten zur Zerstörung dieses Staates gewinnen.

Es kann sein, daß die USA die Taliban besiegen und stürzen, aber was dann kommt haben sie absolut nicht im Griff. Ob sich eine der Optionen, die sie dann für das weitere in der Tasche haben, sich verwirklichen lassen, daran kann man zum Glück Zweifel haben und sogar die Erwartung ausdrücken, daß das afghanische Abenteuer selbst schon sie zutiefst verstricken und vielleicht vor unlösbare Probleme stellen wird.

Im besten Falle kommt es zum UNO-Status Afghanistans, mit allmählichem Wiederaufbau, der Kapitalismus würde gegenüber den altertümlichen Strukturen in Mittelasien seinen Einzug halten. Aber man muß nach all den Erfahrungen in Osteuropa seinen Zweifel haben, daß die großen alten Mächte ein Interesse an einem umfassenden Aufbau haben. Es bleibt die Veränderung der strategischen Situation, die Aufbaustellung zu weiteren Aggressionen.

Es ist aber trotzdem die Pflicht eines jeden, dieser Abenteurerpolitik dieser Regierung, die vorgeschrieben von Bush und nachgemacht von allen staatstragenden Parteien von CSU bis zu den Grünen betrieben wird, mit allen Mitteln entgegenzutreten.
Wir rufen zur Teilnahme an allen Demonstrationen und Veranstaltungen auf, die diese Kriegspolitik bekämpfen und entlarven.
Wir werden unsererseits versuchen, alle Quellen der Spaltung und der Schwächung, die namentlich aus den Auseinandersetzungen und Fehlentwicklungen der sozialistischen Bewegung in den letzten Jahrzehnten herrühren und die Möglichkeiten der Gegenorganisierung schwächen, zu überwinden.

Was hat es zu sagen, wenn jetzt bei den Grünen einige Abgeordnete Opposition bekunden?

Daß die Grünen jetzt einige Abgeordnete haben, die dagegen auftreten und eine Diskussion stattfindet, die möglicherweise den Rahmen der Koalition sprengt, darf nicht zur Einbildung führen, daß sich hier etwas Großartiges tut. Im Gegenteil, die Tatsache, daß die grüne Partei, die zwanzig Jahre lang einen schon abstrusen und irrationalen Pazifismus verkündigt hat, jetzt dabei ist, die wüstesten Kriegsabenteuer in ihrer Mehrheit aktiv zu unterstützen, ist eine Offenbarung dieser Partei, die nur dem entspricht, was sie wirklich ökonomisch-politisch repräsentiert, nämlich den imperialistischen Parasitismus, der in Wirklichkeit genau gegen die Dritte Welt und gegen die Revolution in der Dritten Welt sich wenden muß. Die grüne Partei ist selbst eine Art Fundamentalismus, das Gleiche gilt für die grünen Richtungen innerhalb aller übrigen Parteien. Es ist kein Zufall, daß das namhafte frühere Autonomen-Mitglied Josef Fischer heute in einer rücksichtslosen Weise der Rechtfertigungslogik der amerikanischen Strategie Unterstützung zu verleihen versucht; es ist kein Zufall, daß Kerstin Müller und Volker Beck, die bei den pseudo-emanzipatorischen Gesetzen der Bundesregierung sich aus dem Fenster gelehnt haben, heute bei denen sind, die diesen Krieg aktiv mitorganisieren. Die Tatsache überhaupt, daß die Mehrheit der Grünen für eine solche Politik stimmt, beweist die These, daß die ganze grüne Politik - die Förderung der De-Industrialisierung, die in Wirklichkeit propagierte Zersetzung nach innen und die Förderung der sog. alternativen Gesellschaft - keineswegs gegen den Imperialismus und Kapitalismus ist, sondern sich sehr aktiv auf seiner Seite betätigt. Das Gleiche gilt auch für die Sozialdemokratie, die seit 1914 bei fast jedem imperialistischen Verbrechen, egal ob sie von den deutschen Imperialisten oder von den US-Imperialisten inszeniert wird, dabei ist. Und die Konservativen betätigen sich bei dieser Ermächtigung als die Garanten, wenn sie aus anderen Gründen zu scheitern droht.
Und darüber hinaus ist es das System der Bundesrepublik insgesamt, das sich lakaienhaft hinstellt und sagt: wir können gar nicht anders, wir haben das zu tun, was die USA uns vorschreiben, dabei aber verfolgt es durchaus auch eigene Interessen. Es ist ein Offenbarungseid, der seine Spuren hinterlassen wird.

Redaktion Neue Einheit
14.11.2001

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