Internet Statement 2001/15


Der 1. Mai des DGB hier in Deutschland

- an den sozialen Realitäten und der internationalen Entwicklung vorbei

Einige Anmerkungen von Klas Ber

Während sich international nun wirklich vieles an Kämpfen und Widerstand gegen die internationale kapitalistische Ausbeutung tut und es vieles gibt, was auch hier im Lande von Interesse und Bedeutung ist und zu unterstützen wäre, während sich in vielen Ländern rund um die Welt Arbeiter wie Werktätige, wie auch kleine Gewerbetreibende, Händler und Landbesetzer zur Wehr setzen und auch entschiedene Kämpfe führen, während auch hier die soziale Lage und Entwicklung für die breite Bevölkerung und dieses Land so inakzeptabel ist, daß es eines entschiedenen Auftretens und Widerstandes dagegen bedürfte, findet nichts davon seinen Ausdruck oder Unterstützung in den Ankündigungen und Aufrufen des DGB zu den geplanten Umzügen und Kundgebungen am 1. Mai. Diese Aufrufe und Veranstaltungen hier am 1.Mai gehen weit an der sozialen Lage der Masse der Bevölkerung hier wie international vorbei.

Und wenn auch zu vermerken ist, daß im Rahmen der anderen 1.Mai-Demonstrationen die eine oder andere Gruppe, die sich dort beteiligt, in ihrem Aufruf durchaus soziale Fragen - auch internationale - aufgreift, so prägt das nicht den 1.Mai hier, oder diese Demonstrationen. Es wird zudem überlagert von dem, was hier schon im Vorfeld von verschiedenen Kräften wieder an Provokationen stattfinden und abgezogen wird. Das geht über den Aufzug der neonazistischen NPD und dessen Genehmigung durch die Justiz über das Verbot der sog. revolutionären 1.Mai Demo bis zur Androhung, auch bereits genehmigte Demonstrationen unter bestimmten Bedingungen noch zu verbieten.

DGB- und Gewerkschaftsführung rufen an diesem 1.Mai für die Ausweitung ihrer sogenannten Mitbestimmung auf. Als ob es keine wichtigeren Themen gäbe, und als ob sie mit ihrer sog. Mitbestimmung je dem Produktionsabbau und dem Sozialabbau wirklich etwas entgegengesetzt hätten. Nein, sie federn ihn ab und begleiten ihn.
Wichtige soziale Fragen wie die Bevölkerungsentwicklung hier oder die Entwicklung der Kämpfe der Arbeiter in Lateinamerika, Afrika, auf den Philippinen, in Korea, in der Türkei oder Indien sind für diese Gewerkschaftsführung unbedeutend, das ist ihnen kein zentrales Thema wert. Ihnen ist vor allem wichtig, mit der sog. Mitbestimmung ihre Verbundenheit mit dem kapitalistischen, imperialistischen Ausbeutungssystem auszudrücken, ihre Verbundenheit mit dieser SPD/Grünen Regierung. Auch daß diese Regierung zu Gunsten höchster Finanzgruppen agiert oder zur Aufrechterhaltung des internationalen Ausbeutungssystems bereits einen Krieg mit der NATO geführt hat, ist ihnen kein Thema.

Daß diese Gewerkschaftsführung, als Repräsentant einer privilegierten Schicht von Arbeitern, zu den Stützen dieses Systems gehört, ist nicht zu übersehen. Sie hat sich auch wiederholt für eine gesteigerte Steuerauspressung ausgesprochen. So wurde und wird die Einführung und Durchsetzung der Ökosteuer unterstützt, und auch aus dem DGB kommt die Forderung nach höchsten Benzinpreisen. Eine Steuerauspressung, die vor allem dem Staate zu gute kommt, und am schwersten Paare mit Kindern oder Alleinerziehende mit Kindern trifft.

Ganz im Sinne der Kapitals, das die größtmögliche Verfügbarkeit über die Arbeitskräfte beansprucht, hat sich DGB-Chef Schulte, im Hinblick auf die kommende Tarifauseinandersetzung, bereits im März für eine weitere Ausweitung der flexiblen Arbeitszeit ausgesprochen. Ohne Rücksicht werden dabei soziale Zusammenhänge zerstört nur um dem Willen der Unternehmen nachzukommen, die die Arbeitskräfte zu jeder Tages- und Nachtzeit und an jedem Wochentag zur Verfügung haben möchten. Und wie viele Betriebsräte, die ja auch die sog. Mitbestimmung ausüben, dulden bereits so etwas, und dulden dazu die unmöglichsten Arbeitsverhältnisse? Der Aufspaltung von Belegschaften in sog. Stammbelegschaften und solche, die für eine befristete Zeit eingestellt werden oder sog. Leiharbeitnehmern, die zu Minimalstlöhnen zeitweilig an Betriebe ausgeliehen werden, wird kaum Nennenswertes entgegengesetzt.
Und was ist mit den Vielen, die aus den Betrieben entlassen wurden, mit denen, die gar keine Arbeit finden, die in Subunternehmen oder allen möglichen sog. Dienstleistungsunternehmungen für Löhne am Rande des Sozialhilfesatzes arbeiten müssen? Was ist mit den vielen kleinen Existenzen, die in eine Scheinselbständigkeit gedrängt werden, die aber hauptsächlich für die Abzahlung ihrer Kredite an Banken und Staat arbeiten müssen und denen der Bankrott immer im Nacken sitzt?
Das alles ist für diese Gewerkschaftsführung kein Punkt entschieden dagegen vorzugehen, ist für sie kein zentrales Thema des 1Mai. "Die Betriebsverfassung hat sich bewährt" sagt der DGB in seinem Aufruf. Na klar doch: vor allem für den Staat und Teile des Kapitals und noch für eine privilegierte Schicht von Arbeitern. Dafür können sich die Kollegen bedanken, ihnen nimmt diese Verfassung sogar Rechte. Und auch die übrige Bevölkerung wird sich mit Recht bei dieser Gewerkschaftsführung für die Unterstützung bei der Steuerauspressung bedanken.

Aber man muß auch mal sagen: Kollegen, Arbeiter, die dieser Gewerkschaftsführung und solch einer Politik hinterher trotten und sich um die gesellschaftliche und internationale Entwicklung nicht kümmern, sind von der Entwicklung längst überholt. Und eine Folge davon ist, daß das Kapital mit der Verwerfung größerer Teile der Produktion und entsprechend dazu der Arbeiter hier Erfolg hatte, und daß dieses die ganzen gesellschaftlichen Verhältnisse und Entwicklung herabdrückt.
Es kommt einfach auch darauf an, daß sich die Kollegen von dieser Gewerkschaftsführung, von dieser Arbeiteraristokratie frei machen und Kräfte entwickeln. Das sie sich um die gesamtgesellschaftlichen Belange und die soziale Entwicklung auch kümmern, natürlich auch international, indem sie sich mit fortschrittlichen und revolutionären Kräften hier im Lande, den Kollegen international und den Kämpfen gegen die internationale kapitalistische Ausbeutung dazu verbinden. Mehr als je zuvor bietet sich z.B. durch das Medium Internet auch international die Möglichkeit dazu.


Eine ausgesprochene Provokation stellt der Aufzug der NPD dar. Daß diesen Elementen, die einen kaum verbrämten Rassismus mit reaktionärster chauvinistischer Hetze vertreten, schon zum wiederholten Male die Genehmigung für den 1.Mai erteilt wurde, geht vor allem auf das Konto der Justiz. Das muß man auch international bekannt machen, daß es die hiesige Justiz ist, die diesen Elementen gestattet aufzuziehen.
Diese Elemente setzen da an, wo das Kapital hiesige Arbeiter in großem Umfang verwirft, und sich dafür "Billigstarbeitskräfte" aus anderen Ländern zur Ausbeutung ins Land dazu holt. Die Verwerfung von Produktion und Produktivkräften, die Ausbeutung hier und die internationale Ausbeutung, die das Kapital betreibt, aber ist bei diesen Neonazielementen kein Thema und wird nicht angegriffen. Das macht auch deutlich, wie sehr sie selbst auf dieser internationalen Ausbeutung sowie der daraus erfolgenden Korrumpierung hier stehen. Zudem propagieren und demonstrieren sie mit ihrer rassistischen Hetze und ihrem ‚Arbeitsplätze zuerst für Deutsche' aber auch die niedrigste Kriecherei vor der kapitalistischen Ausbeutung. So etwas hat an diesem Tage erst gar nicht zu demonstrieren.

29.4. 2001

Der Verfasser ist selbst Mitglied der Gewerkschaft und in einem Berliner Metallbetrieb beschäftigt .